Verschiedene Medikamente sind mit einem Knochenmassenverlust bzw. einem erhöhten Frakturrisiko assoziiert. In diesem Kapitel soll insbesondere auf den Effekt einer hormonablativen Behandlung bei Frauen mit Mammakarzinom bzw. bei Patienten mit Prostatakarzinom eingegangen werden. Das Management der steroidinduzierten Osteoporose wird in einem separaten Kapitel zusammengefasst.
Ablative Hormontherapie bei Prostatakarzinom
Im Rahmen der Tumornachsorge bei inoperablem Prostatakarzinom stellt die ablative Hormontherapie (Orchidektomie, medikamentös-induzierte Kastration) eine wichtige palliative Massnahme dar. Die rasche und nahezu komplette Abnahme der zirkulierenden Testosteronspiegel führt zu einem akzelerierten Knochenumbau mit Überwiegen der Knochenresorption, was letztlich in einem signifikanten Knochenmassenverlust resultiert. Der durch die Androgendefizienz bedingte Knochensubstanzverlust betrifft insbesondere die Wirbelsäule mit einer Abnahme der lumbalen BMD um 5-10% im ersten Jahr nach Beginn der Hormonblockade. Mehrere Studien konnten aufzeigen, dass die ablative Hormontherapie mit einem erhöhten Risiko osteoporose-bedingter Frakturen assoziiert ist wie dies auch der Fall ist bei Männern mit weniger ausgeprägtem Hypogonadismus. Die kumulative Inzidenz einer ersten osteoporotischen Fraktur bei Männern mit ablativer Therapie ist um das 5-fache erhöht verglichen mit einer eugonadalen Kontrollpopulation. Für Männer, welche nach Diagnose eines Prostatakarzinoms mindestens über 5 Jahre untersucht wurden, konnte gezeigt werden, dass bei denjenigen mit einer ablativen Therapie in 19% eine Fraktur auftrat, wohingegen Männer ohne Orchiektomie in nur 13% eine Fraktur erlitten (p<0.001). Interessanterweise konnte eine Studie nachweisen, dass zwischen der Dauer der ablativen Hormontherapie und der Frakturinzidenz eine enge Beziehung vorliegt: Männer mit mehr als neun Dosen eines GnRH-Agonisten hatten eine signifikant höhere Frakturinzidenz (NNH, 10-20) als Männer mit bis zu vier Dosen eines GnRH-Agonisten (NNH 60-70).
Mehrere Interventionsstudien belegen einen protektiven Effekt von Bisphosphonaten auf den durch die ablative Hormontherapie induzierten Knochenmassenverlust. Eine Studie bei 40 Männern mit nicht-metastasierendem Prostatakarzinom hat in einem randomisierten, placebo-kontrollierten Studiendesign den Effekt einer einmaligen Dosis von Zoledronat über 12 Monate untersucht. Sowohl an der LWS als auch am Schenkelhals konnte der unter Placebo beobachtete Knochenmassenverlust signifikant vermindert werden. Auch bei einer bereits längerdauernden ablativen Behandlung kann durch Bisphosphonate ein weiterer Verlust, bzw. eine Zunahme des Knochenmineralgehaltes erreicht werden.
In der HALT-Studie (Hormone Ablation Bone Loss Trial) wurde die Veränderung der Knochendichte an der Lendenwirbelsäule bei 1468 Männern mit nicht-metastasierendem Prostatakarzinom unter hormonablativer Therapie im Verlauf von drei Jahren untersucht. Im Vergleich zu Placebo liess sich unter Denosumab ein signifikanter Anstieg der Knochendichte in den Bereichen der Wirbelsäule, proximalen Femur und Radius zeigen. Gleichzeitig war das relative Risiko für neue Frakturen unter Denosumab im Vergleich zu Placebo um 62 Prozent reduziert. Eine signifikante Abnahme der Frakturrate wurde bereits nach 12 Monaten beobachtet.
Empfehlungen zum praktischen Vorgehen im klinischen Alltag
Aufgrund des zu erwartenden Knochenmassenverlustes stellt eine ablative Hormonbehandlung bei Prostatakarzinom einen Risikofaktor für osteoporotische Frakturen dar. Bei Männern mit Prostatakarzinom, insbesondere nach Orchiektomie bzw. längerdauernder (über ein- bis zweijähriger) ablativer Hormontherapie, ist daher im Rahmen der Tumornachsorge die Erfassung zusätzlicher Risikofaktoren für ein erhöhtes Frakturrisiko und eine densitometrische Abklärung, allfällig auch eine konventionell radiologische Abklärung (Ausschluss vertebraler Frakturen) zu empfehlen.
Neben präventiven ist insbesondere bei bereits erniedrigter Knochendichte (T-score <-2.5 SD) bzw. prävalenten Frakturen die Indikation zu einer antiresorptiven Behandlung mit Bisphosphonaten bzw. Denosumab grosszügig zu stellen.
Aromataseinhibitoren bei Mammakarzinom
Die Suppression der endogenen Östrogenproduktion stellt die Grundlage der adjuvanten Behandlung bei hormonsensitivem Mammakarzinom dar. Obwohl die Aromatasehemmer verglichen mit Tamoxifen nebenwirkungsarm sind, muss v.a. bei einer Langzeitbehandlung durch die Östrogendefizienz ein ungünstiger Effekt auf den Knochenstoffwechsel mit Auftreten osteoporotisch bedingter Frakturen erwartet werden. Dies ist insbesondere von Bedeutung, als dass das Spontanfrakturrisiko altersbedingt bei postmenopausalen Frauen ansteigt und im Rahmen einer Tumorbehandlung durch eine vorangegangene Chemotherapie oder Steroidtherapie zusätzlich erhöht ist.
Entsprechend ihrem Wirkmechanismus werden die Aromatasehemmer in steroidale Inaktivatoren (irreversible Wirkung; Exemestan) oder nicht-steroidale Inhibitoren (reversible Wirkung; Aminoglutethimid, Anastrozol, Letrozol) eingeteilt. Die neueren Aromataseinhibitoren der 3. Generation wirken durch eine fast vollständige (>96%) Suppression der endogenen Östrogenproduktion. Exemestan ist strukturell verwandt mit Androstendion und übt durch Bindung an den Androgenrezeptor eine partiell androgene Wirkung aus. Die nicht-steroidalen Aromatasehemmer interferieren reversibel mit Cytochrom P450. Ihre Hemmung bleibt nur so lange bestehen wie ausreichend hohe Wirkstoffkonzentrationen aufrechterhalten werden.
Während der Behandlung mit Aromatasehemmern ist durch die Östrogendefizienz eine Zunahme der Knochenresorption zu erwarten, wobei – bedingt durch die enge Stoffwechselbeziehung zwischen Knochenresorption- und formation – auch ein Anstieg der Knochenformationsmarker beobachtet werden kann. Im Rahmen der ATAC-Studie wurde in einer Subpopulation bei Brustkrebspatientinnen der Effekt von Anastrozol bzw. Tamoxifen auf den Knochenstoffwechsel nach einem Jahr untersucht und mit Kontrollpatientinnen verglichen. Während unter der Behandlung mit Tamoxifen durch den östrogenagonistischen Effekt eine Hemmung des Knochenumbaus festzustellen war, konnte bei Patientinnen unter Anastrozol eine signifikante Zunahme der Knochenresorptionsmarker beobachtet werden. Eine ähnliche Zunahme des Knochenumbaus konnte auch bei Patientinnen mit fortgeschrittenem Mammakarzinom beobachtet werden. Hierbei ist aber zu bedenken, dass eine Akzelerierung des Knochenumbaus bei Patientinnen mit metastasierendem Mammakarzinom nicht alleinig durch die Behandlung mit Aromatasehemmern, sondern auch durch den knochenabbau-stimulierenden Effekt skeletaler Metastasen bedingt sein kann. Eine Studie, in der bei gesunden postmenopausalen Frauen in einem «head-to-head» Vergleich der Effekt von Anastrozol, Letrozol oder Exemestan auf den Knochenstoffwechsel während 24 Wochen untersucht wurde, bestätigt den vergleichbaren Effekt.
Bei den meisten Arbeiten wurde der Effekt eines Aromatasehemmers auf die Knochendichte mit Tamoxifen verglichen, bzw. wurde ein Aromatasehemmer nach vorgängiger Behandlung mit Tamoxifen eingesetzt. Durch den osteoprotektiven Effekt von Tamoxifen wird der Knochenmineralgehalt unter der Therapie gehalten bzw. ausgebaut, sodass in direkten Vergleichstudien die ungünstige Wirkung der Aromatasehemmer überschätzt werden kann.
Verglichen mit Tamoxifen konnte in der ATAC-Studie nach 2-jähriger Behandlung mit Anastrozol eine signifikante Abnahme der Knochendichte sowohl an der Wirbelsäule (-4.1% vs. +2.2%) als auch am proximalen Femur (-1.2% vs. +1.2%) beobachtet werden. Nach 5-jähriger adjuvanter Behandlung (ATAC-Studie) war Anastrozol signifikant mit einer erhöhten Rate von osteoporosebedingten Frakturen assoziiert. Dabei betrug die Frakturrate unter Anastrozol 11% verglichen zu 7.7% unter Tamoxifen (p<0.0001). Insbesondere traten gehäuft klinisch diagnostizierte vertebrale Frakturen auf, während die Unterschiede bezüglich Schenkelhals- und Radiusfrakturen nur gering waren.
Empfehlungen zum praktischen Vorgehen im klinischen Alltag
Aufgrund des zu erwartenden Knochenmassenverlustes stellt eine adjuvante Therapie mit Aromataseinhibitoren ein Osteoporose-Risikofaktor dar. Entsprechend ist bei allen Frauen, welche eine Behandlung mit Aromatasehemmern beginnen, die Durchführung einer Densitometrie zu empfehlen.
Eine antiresorptive Therapie sollte bei Personen mit einem BMD-T-Score < -2.0 SD oder mit ≥2 klinischen Risikofaktoren einschließlich eines BMD-T-Scores < -1.0 SD erwogen werden. Bei prämenopausalen Frauen ist intravenös verabreichtes Zoledronat das einzige Medikament, von dem berichtet wird, dass es den Knochenmineralverlust verhindert, und das möglicherweise einen zusätzlichen Nutzen bei der Tumorbehandlung hat. Bei postmenopausalen Frauen können entweder Denosumab oder Bisphosphonate zur Frakturprävention verschrieben werden, wobei das Rebound-Phänomen nach Absetzen von Denosumab zu beachten ist.
Antiepileptika
In der Vergangenheit haben metabolische Veränderungen im Zusammenhang mit der Langzeiteinnahme von Antiepileptika wenig Aufmerksamkeit erfahren. Eine dieser Veränderungen wirkt sich auf den Knochenstoffwechsel mit Verminderung der Knochendichte (BMD) und erhöhtem Frakturrisiko aus. Dies ist besonders für Menschen mit Epilepsie ungünstig, da sie ohnehin schon aufgrund anderer Arzneimittelnebenwirkungen (z.B. Ataxie), gleichzeitig bestehender neurologischer Defizite (z.B. Zerebralparese) und anfallsbedingter Stürze eine erhöhte Frakturgefährdung haben.
Menschen mit Epilepsie haben ein im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung 2- bis 6-mal höheres Frakturrisiko, wobei vorwiegend Wirbelkörper- und Schenkelhalsfrakturen gehäuft auftreten. Frakturen sind nicht ausschließlich die Folge von Anfällen; es wird geschätzt, dass ca. 35% der Frakturen direkt anfallsbedingt sind.
Von Antiepileptika-assoziiertem Knochenmassenverlust sind Patienten beider Geschlechter und jeden Alters betroffen. Eine longitudinale Studie wies darauf hin, dass die Verwendung von Antiepileptika bei über 65-jährigen Frauen mit Epilepsie zu einem akzelerierten Knochenabbau am proximalen Femur führt. Aus der Arbeit wurde gefolgert, dass der Knochenmassenverlust, sofern er unvermindert anhalten würde, ausreichen würde, um im Verlauf von 5 Jahren das Risiko einer Hüftfraktur um 29% zu erhöhen. Die Frage stellt sich, welche Antiepileptika einen Knochenmassenverlust begünstigen. Bereits in älteren Arbeiten konnte gezeigt werden, dass enzym-induzierende Antiepileptika mit einem erhöhten Frakturrisiko assoziiert sind und dass Phenytoin der Wirkstoff mit dem größten Potential zur Beeinflussung des Knochen- und Mineralstoffwechsels zu sein scheint. Die Daten zu Carbamazepin, ebenfalls einem Enzyminduktor und Valproat, einem Enzyminhibitor, sind etwas widersprüchlich; in einigen Studien wurde festgestellt, dass beide Wirkstoffe mit dem Vorliegen einer Osteopenie assoziiert sind. Valproat und/oder Lamotrigin waren besonders bei kombinierter Anwendung mit reduzierter Knochenbildung, niedriger BMD und Minderwuchs bei Kindern vergesellschaftet. Inwieweit neuere Antiepileptika den Knochenstoffwechsel beeinträchtigen ist noch ungeklärt. Wirkstoffe, welche die Carboanhydrase inhibieren (Topiramat, Zonisamid, Acetazolamid) können den Knochenstoffwechsel ungünstig beeinflussen, indem sie eine metabolische Azidose bewirken. Publizierte tierexperimentelle Daten weisen darauf hin, dass Levetiracetam die Widerstandskraft des Knochens reduziert, ohne die Knochenmasse zu verändern. Antiepileptika, die das Cytochrom-P450-Enzym induzieren, werden am häufigsten mit negativen Auswirkungen auf die Knochen in Verbindung gebracht. Man nimmt an, dass CYP450-induzierende Antiepileptika (z.B. Phenobarbital, Phenytoin, Carbamazepin, Oxacarbazepin) die für den Vitamin D-Stoffwechsel zuständigen Enzyme hochregulieren, was eine Umwandlung von 25(OH)VitaminD in inaktive Metaboliten zur Folge hat. Die daraus resultierende Senkung von 1,25-(OH)2VitaminD führt zu einer verminderten Kalziumresorption mit konsekutivem sekundären Hyperparathyroidismus, gesteigerter Knochenresorption und akzeleriertem Knochenmassenverlust.
Empfehlungen zum praktischen Vorgehen im klinischen Alltag
Evidenz-basierte Strategien zur Abklärung und Behandlung einer Osteoporose bei Patienten mit Epilepsie bzw. bei antiepileptika-assoziierter Osteopathie liegen nur beschränkt vor. Gemäss der DVO-Leitlinie 2023 wird das Vorliegen einer Epilepsie, bzw. eine antiepileptische Behandlung als relevanter Risikofaktor für Frakturen gewertet und entsprechend zur Beurteilung einer Basisdiagnostik mittels DXA miteinbezogen. Alle Patienten mit Epilepsie bzw. antiepileptischer Langzeitbehandlung (insbesondere Patienten unter enzyminduzierenden Antiepileptika und Valproat) sollten auf ihr höheres Frakturrisiko hingewiesen werden und präventive Massnahmen empfohlen werden. Bezüglich einer postmenopausalen Östrogensubstitution ist zu berücksichtigen, dass unter Umständen epileptische Anfälle unter einer Hormonersatztherapie aggraviert werden können.
Spezieller Berücksichtigung bedarf der Einfluss von Antiepileptika auf den Vitamin D-Stoffwechsel. Während bei Patienten mit nicht-enzyminduzierenden Antiepileptika eine Vitamin D-Supplementation von 1000-1200 IU/d für den täglichen Bedarf genügen sollte, empfiehlt es sich, bei Patienten unter einer Langzeitbehandlung mit Barbituraten, Phenytoin oder Carbamazepin eine höhere tägliche Vitamin D-Dosis (2000-4000 IU) zur prophylaktischen Gabe einzusetzen. Höhere Vitamin D-Dosen sind bei Osteomalazie erforderlich. Generell ist bei Patienten unter einer Langzeittherapie mit enzym-induzierenden Antiepileptika die Bestimmung der 25(OH)Vitamin D Spiegel im Serum (vor Behandlung, anschliessend 6-12-monatlich) zu empfehlen. Eine medikamentöse Therapie ist indiziert bei erhöhtem Frakturrisiko, insbesondere bei Patienten mit bereits erlittener Fraktur, insbesondere einer Wirbelfraktur oder Hüftfraktur, oder Patienten mit erhöhtem absolutem 10-Jahresfrakturrisiko.
Literatur
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