Im Gegensatz zu anti-resorptiv wirkenden Medikamenten, welche die Knochenmineraldichte durch Hemmung der Osteoklasten verbessern, stimulieren osteoanabole Präparate direkt oder indirekt die Differenzierung und Aktivität der Osteoblasten. Dies führt zu einer Zunahme der trabekulären und kortikalen Dicke, was erheblich zur Verbesserung der Widerstandsfähigkeit des Skeletts gegen Frakturen beiträgt. Fast zwanzig Jahre lang war Teriparatid zur Zweitlinientherapie das einzige verfügbare osteoanabole Präparat in der Schweiz. Seitdem haben mehrere Studien zum Vergleich von Osteoanabolika und oralen Bisphosphonaten eine stärkere frakturreduzierende Wirksamkeit nachgewiesen, was auch in einer kürzlich veröffentlichten Meta-analyse bestätigt wurde. Dies hat dazu geführt, dass Teriparatid, aber auch die neuen osteoanabolen Substanzen Romosozumab und Abaloparatid, als Erstlinientherapie bei sehr schwerer Osteoporose, insbesondere nach einer kürzlich erfolgten Fraktur, positioniert wurden.

Parathormon-Rezeptor-Agonisten

Teriparatid

Teriparatid (TPT, PTH1-34) als subkutane Injektion (20ug/d) hat eine kurze Wirkungsdauer, wodurch es vorwiegend die Knochenbildung stimuliert, jedoch mit einem sekundären Anstieg der Resorption. Bei einer Verabreichung über 18 bis 24 Monate bewirkt es eine deutliche Zunahme des trabekulären Knochenvolumens, was zu einer deutlichen Zunahme der BMD der Wirbelsäule führt (+9% vs. PBO in der FPT-Studie).

In der FPT-Studie wurde bei postmenopausalen Frauen (Durchschnittsalter 69 Jahre), die an Osteoporose mit Wirbelfrakturen litten, mit TPT im Vergleich zu PBO eine signifikante Verringerung der Wirbelfrakturen (RRR -84%) beobachtet.  Weitere Analysen zeigten, dass TPT bei Patienten mit multiplen und schweren Wirbelfrakturen noch wirksamer war, was die Hauptindikation für seine Verschreibung in der klinischen Praxis darstellt.

Eine aktuelle Metaanalyse von 23 randomisierten kontrollierten Studien mit 8.644 Patienten zeigte eine geringere Inzidenz von Hüftfrakturen, die auf die Behandlung mit Teriparatid zurückzuführen war, im Vergleich zu den Kontrollen (OR 0,44, CI 0,22-0,87, p <0.02). Es ist jedoch zu beachten, dass sich diese Metaanalyse auf insgesamt nur 34 Hüftfrakturen stützt und für Frauen mit postmenopausaler Osteoporose nicht streng relevant ist, da sie auch einige Studien bei Männern und bei steroidinduzierter Osteoporose einschließt.

In der VERO-Studie wurden Frauen mit hohem Frakturrisiko (dh. mit prävalenten Wirbelfrakturen) randomisiert und entweder mit TPT oder Risedronat (einem oralen Bisphosphonat) behandelt. Nach 24 Monaten wurden unter TPT im Vergleich zu Risedronat eine signifikante Reduktion der Rate an Wirbelfrakturen und klinischen Frakturen beobachtet.

Eine Meta-analyse, die Studien einschloss, die bis April 2019 veröffentlicht wurden, um das Frakturrisiko zwischen TPT- und Bisphosphonat-Anwendern zu vergleichen, zeigte eine geringere Gesamthäufigkeit von Wirbel- und Nicht-Wirbelfrakturen in der Osteoanabolika-Gruppe (RR =0,55, 95 % KI: 0,40-0,77; p=0,001 bzw. RR 0,65, 95 % KI: 0,46-0,90; p=0,009).

Die häufigsten Nebenwirkungen von TPT sind eine orthostatische Hypotonie, Nausea, Krämpfe in den Beinen und Kopfschmerzen. Es können laborchemische Veränderungen auftreten, wie eine Hyperkalzämie (3%), eine Hyperkalziurie und ein Anstieg des Serumharnsäurespiegels. Es ist zu beachten, dass eine bereits vor Beginn der TPT bestehende Hyperkalzämie oder Hyperkalziurie mit Urolithiasis eine Kontraindikation für die Verschreibung des Medikaments darstellt.

Aufgrund dieser Ergebnisse empfehlen die SVGO-Guidelines von 2020 die Behandlung mit TPT als erste oder zweite Wahl (nach einer BP-Therapie) bei Frauen und Männern mit hohem oder sehr hohem Frakturrisiko, die an einer osteoporotischen Wirbelfraktur leiden. Die Entwicklung von TPT-Biosimilars und in jüngster Zeit auch von TPT-Generika hat dazu geführt, dass TPT heute viel häufiger eingesetzt und leichter erstattet wird als früher.

Abaloparatid

Abaloparatid (APT) ist ein PTH-Rezeptor-Agonist der zweiten Generation. Es ist ein Derivat von PTH-related peptide, hat jedoch auf zellulärer Ebene etwas andere Signaleigenschaften als TPT. So induziert es eine Knochenbildung, die anfänglich der von TPT entspricht, jedoch weniger die Resorption stimuliert. Dies ermöglicht u. a. die Verabreichung einer höheren APT-Dosis (80 ug/d) ohne das Risiko einer Hyperkalzämie und führt zu potenziell günstigeren Auswirkungen auf den kortikalen Knochen, insbesondere auf den BMD-Zuwachs an der Hüfte.

Die ACTIVE-Studie sollte nicht nur den Nutzen gegenüber Placebo aufzeigen, sondern auch einen Vergleich mit der TPT hinsichtlich des BMD-Gewinns liefern. In die Studie wurden 2463 postmenopausale Frauen eingeschlossen, die 18 Monate lang behandelt wurden: Sie zeigte eine signifikante Verringerung des Wirbelfrakturrisikos in der APT-Gruppe (RR 0,14 vs. PBO, 95 %-KI 0,05-0,39, p<0,001). Außerdem wurde in der APT-Gruppe eine größere Verbesserung der BMD im Vergleich zur TPT an der Hüfte beobachtet (4,18 vs. 3,26%, p<0,01). Der unterschiedliche Grad der Stimulation der Knochenresorption versus -bildung zwischen diesen beiden Medikamenten könnte teilweise die beobachteten Unterschiede in Bezug auf den BMD-Gewinn erklären, insbesondere an kortikalen Knochenstellen.

Obwohl die häufigsten Nebenwirkungen von APT denen von TPT ähneln und die Kontraindikationen die gleichen sind, gibt es einige Unterschiede zwischen diesen Medikamenten. So sind die am häufigsten gemeldeten Nebenwirkungen bei APT eine orthostatische Hypotonie, Schwindel (10 %) und Tachykardie (2 %). Dagegen war die Inzidenz von Hyperkalzämien in der APT-Gruppe (3,4%) signifikant niedriger als in der TPT-Gruppe (6,4%).

Abaloparatid, das in den USA bereits seit mehreren Jahren eingesetzt wird, wurde im März 2024 von Swissmedic für die Behandlung von postmenopausalen Frauen mit Osteoporose und hohem Frakturrisiko zugelassen, die Bedingungen für die Kostenübernahme wurden jedoch noch nicht festgelegt.

Romosozumab

Romosozumab (Evenity®, 210 mg/Monat sc) ist ein monoklonaler Antikörper, der gegen Sclerostin gerichtet ist, welches selbst ein starker Osteoblastenhemmer ist. Im Gegensatz zu PTH-Rezeptor-Agonisten hat er eine doppelte Wirkung, die sowohl osteoanabol als auch antiresorptiv ist. Die Verabreichung ist über 12 Monate möglich, in denen ein sehr schneller und massiver Anstieg der Knochenbildung zu beobachten ist, der sich jedoch im Laufe der Behandlung allmählich abschwächt, während die antiresorptive Wirkung anhält. Im Vergleich zu Alendronat und TPT in einer Phase-2-Studie war die Zunahme der BMD nach einem Jahr unter Romosozumab etwa doppelt so hoch.

In einer vergleichenden Phase-3-Studie (STRUCTURE) wurden postmenopausale Frauen, die zuvor Bisphosphonate eingenommen hatten und deren BMD noch <-2,5 T-Scores lag, randomisiert und erhielten 12 Monate lang entweder Romosozumab oder TPT. Romosozumab erhöhte nach 12 Monaten die BMD der Wirbel und der Hüfte signifikant. Es ist jedoch anzumerken, dass der Zuwachs an BMD bei diesen Behandlungen zur Überbrückung einer Bisphosphonat-Therapie im Vergleich zum Zuwachs bei behandlungsnaiven Patienten abgeschwächt ist. Die STRUCTURE-Studie war nicht stark genug, um einen Unterschied in der Inzidenz von Frakturen zwischen den Gruppen festzustellen.

Die Wirksamkeit von Romosozumab bzgl. Reduktion von Frakturen wurde erstmals im Rahmen einer 24-monatigen multinationalen Phase-III-Studie (FRAME) untersucht. Der primäre Endpunkt von FRAME war eine Verringerung der Inzidenz neuer Wirbelfrakturen. Die Studienpopulation bestand aus postmenopausalen Frauen (n=7180, Altersgruppe 55 bis 90 Jahre) mit einem T-Score zwischen -2,5 und -3,5 für die gesamte Hüfte oder den Schenkelhals, ohne vorangegangene Hüftfraktur oder mehr als zwei mittelschwere Wirbelfrakturen. Die Patienten wurden randomisiert und erhielten einmal monatlich 210 mg Romosozumab subkutan oder ein Placebo. Im zweiten Jahr erhielten alle Patienten 60 mg Denosumab einmal alle 6 Monate.

Nach einem Jahr Behandlung betrug die Zunahme der BMD im Durchschnitt +5% am Schenkelhals und +13% an der Lendenwirbelsäule. Im Vergleich zu Placebo wurde eine signifikante Verringerung des Risikos neuer Wirbelfrakturen um 73% und des Risikos klinischer Frakturen um 36% erzielt. Es wurde keine signifikante Verringerung der Anzahl nicht-vertebraler Frakturen berichtet, obwohl unter Romosozumab eine Verringerung des relativen Risikos um 25% beobachtet wurde. Sowohl die Originalstudie als auch die Post-hoc-Analysen zeigten jedoch eine signifikante Reduktion der nicht-vertebralen Frakturen bereits im ersten Jahr mit Romosozumab bei Frauen mit höherem Risiko.

Im zweiten Jahr nach der Gabe von Denosumab stieg die BMD weiter an und der bereits beobachtete Rückgang der Frakturen blieb erhalten.

In der Romosozumab-Gruppe waren die unerwünschten Ereignisse hauptsächlich auf Reaktionen an der Injektionsstelle zurückzuführen (4-8% der Patienten), und es gab keine Unterschiede zwischen den Gruppen hinsichtlich schwerwiegender unerwünschter Ereignisse, insbesondere kardiovaskulärer Ereignisse. In der Romosozumab-Gruppe traten nur ein Fall von atypischer Osteonekrose des Kiefers und ein Fall von atypischer Femurfraktur auf.

In der Phase-3-Studie (ARCH) wurde Romosozumab 12 Monate lang mit Alendronat verglichen und anschließend erhielten beide Arme zwei Jahre lang Alendronat. Die in die ARCH-Studie aufgenommene Population (n = 4093) wurde speziell wegen eines sehr hohen Risikos für osteoporotische Frakturen rekrutiert, da alle bereits eine Fraktur in der Anamnese hatten, vor allem eine Wirbelfraktur.

In der Romosozumab-Gruppe wurde nach 12 und 24 Monaten eine signifikante Verringerung neuer Wirbelfrakturen (RR 0,63 und 0,52) sowie klinischer und nicht-vertebraler Frakturen (RR 0,72 und 0,81) beobachtet. Der BMD-Gewinn in der Romosozumab-Gruppe war in den ersten 12 Monaten höher als unter Alendronat und reichte von 6% am Schenkelhals bis zu 13% an der Lendenwirbelsäule und blieb auch nach 12 und 24 Monaten Alendronat erhalten.

Unerwarteterweise berichteten 2,5% der Patienten in der Romosozumab-Gruppe und 1,9% in der Alendronat-Gruppe während der Doppelblindphase über schwerwiegende kardiovaskuläre (CV) unerwünschte Ereignisse (HR, 1,31; 95 %-KI, 0,85 bis 2,00). Obwohl der kausale Zusammenhang zwischen Romosozumab und ischämischen Ereignissen nicht eindeutig belegt ist haben die Gesundheitsbehörden Romosozumab bei Myokardinfarkt oder Schlaganfall in der Anamnese kontraindiziert, und bei Patienten mit hohem CV-Risiko und/oder starker Arterienverkalkung ist weiterhin Vorsicht geboten.

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