In der Schweiz stieg die Inzidenz der Hospitalisationen wegen osteoporotischer Wirbelfrakturen bei Frauen über 45 Jahre zwischen 1998 und 2018 um 23.2% an, bei Männern um 7.7%. Pro 100’000 Personenjahre wurden 114 Frauen und 77 Männer deswegen hospitalisiert. Diese Zahlen widerspiegeln aber nur die Spitze des Eisbergs, da viele Wirbelfrakturen ambulant konservativ behandelt werden, bzw. oligosymptomatisch verlaufen und oft nur durch Zufall entdeckt werden.

Die Therapie der symptomatischen Wirbelfrakturen ist multimodal und sollte neben medikamentösen (Schmerzbehandlung, Osteoporosetherapie) immer auch physikalische Massnahmen einschliessen. Je nach Situation kommen zusätzlich chirurgische Massnahmen in Frage.

Ziel der Behandlung ist die möglichst rasche Mobilisation und Reduktion der Funktionsdefizite sowie das Erhalten der Selbständigkeit im Alltag.

Medikamentöse Analgesie

In der ersten Phase der Schmerztherapie kommen Analgetika, bzw. NSAR zum Einsatz. Da es sich bei den Betroffenen oft um ältere Personen handelt, ist bei einer Therapie mit einem NSAR die Nierenfunktion zu beachten. Bei Opioid-haltigen Therapien kann hingegen das Sturzrisiko zunehmen. Als Schmerztherapie wird auch Calcitonin eingesetzt, das bei Wirbelfrakturen in gewissen Studien eine gute Schmerzlinderung zeigte. Allerdings ist zu beachten, dass die European Medicines Agency EMA intranasales Calcitonin wegen eines erhöhten Krebsrisikos bei Langzeitanwendung zurückgerufen hat. Calcitonin sollte deshalb nicht mehr als wenige Wochen eingesetzt und nicht zur Langzeittherapie der Osteoporose, bzw. von Schmerzen eingesetzt werden.

Physiotherapie

Parallel zur medikamentösen Behandlung kann bereits in der Frühphase eine vorsichtige Physiotherapie erfolgen, bei frischen Frakturen vorerst mit passiven, schmerzlindernden Massnahmen und erster Schulung bezüglich rückengerechter Mobilisation, später, nach Stabilisierung der Fraktur, zusätzlich mit Muskelaufbau, insbesondere im Rumpfbereich. Langfristiges Ziel ist es, die Patientinnen und Patienten für ein lebenslanges Kraft-Ausdauertraining und Rückenturnen zu motivieren, welches diese dann selbständig, z.B. in einem gut geleiteten Fitnesszentrum, oder auch mittels Heimübungen regelmässig durchführen können. Ebenso wichtig ist gerade bei älteren Patientinnen ein Gleichgewichtstraining zur Sturzprophylaxe.

Bandagen und Stützkorsetts können in der allerersten Phase zur Schmerzlinderung eingesetzt werden, sind aber längerfristig nicht zu empfehlen, da dadurch die Muskulatur atroph wird.

Chirurgische Massnahmen

Ein besonderes Problem stellen die instabilen Frakturen dar, die nach dem initialen Wirbeleinbruch weiter nachsintern. Dies kann zu chronischen Schmerzen, deutlicher Wirbelsäulenverformung und neurologischen Defiziten führen. In solchen Fällen kann eine Kyphoplastie, bzw. Vertebroplastie die weitere Wirbelkompression verhindern und eine rasche Schmerzlinderung bewirken. Es ist deshalb angezeigt, nach frischen Wirbelfrakturen während ca. 6 Wochen regelmässige radiologische Stellungskontrollen durchzuführen, um die Nachsinterungen nicht zu verpassen. Bei alten und bereits konsolidierten Frakturen ist eine Zementaugmentation nicht mehr sinnvoll. Vorteil dieser minimalinvasiven Techniken ist die schnelle Schmerzlinderung, sowie die rasch mögliche Mobilisierung, was zusätzliche immobilitätsbedingte Komplikationen vermindern kann. Biomechanisch wird davon ausgegangen, dass der Langzeitverlauf positiv beeinflusst werden kann, wenn keilförmig deformierte Wirbel wieder aufgerichtet werden können und damit eine physiologische Wirbelsäulenstatik erreicht wird.

Naturgemäss ist es schwierig, Studien mit robusten Resultaten bezüglich des Outcomes von operativen Techniken durchzuführen. Angaben in Bezug auf Nebenwirkungen sind deshalb unterschiedlich. Bekannte Komplikationen sind Austritt von Zement mit dem Risiko von schweren Schmerzen, neurologischen Störungen und Embolien, sowie erneute vertebrale Kompression des Wirbels, Zementverlagerungen und Zement-Non-Union. Eine besonders schwerwiegende Komplikation ist das Auftreten von angrenzenden Wirbelfrakturen nach Zementaugmentation.

Eine Studie konnte eine positive Korrelation des Auftretens von Komplikationen mit vier Hauptfaktoren zeigen:  Vorhandensein einer «Kissing Spine» (Berühren der Processus spinosi), hohe Ausprägung der paravertebralen Muskel-Fett-Infiltration, starke Änderung des Cobb-Winkels nach dem Eingriff sowie niedrige CT-gemessene Knochendichte.

Eine kürzlich publizierte Studie untersuchte 674 Patientinnen, die zwischen Dezember 2019 und Februar 2022 entweder eine Vertebroplastie oder Kyphoplastie erhalten hatten. 8.61% dieser Patientinnen erlitten eine Anschlussfraktur. Risikofaktoren dafür waren tiefer Body Mass Index, geringe Knochendichte (gemessen mittels CT) sowie vorbestehende osteoporotische Wirbelfrakturen. Andere Studien zeigten, dass höheres Alter zu häufigeren Anschlussfrakturen führte, nicht aber ein tiefer Body Mass Index.

Der Schweizerische Health Technology Assessment vom Mai 2021 kam zum Schluss, dass operative Eingriffe bei akuten Brüchen im Vergleich zu konservativen Massnahmen einen positiven Effekt haben könnten, das Kosten-Nutzen-Verhältnis jedoch trotzdem umstritten bleibt, da die Eingriffe auch Kosten verursachen.

Medikamentöse Osteoporosetherapie bei Wirbelfrakturen

Patientinnen mit osteoporotischen Wirbelfrakturen gehören zur Gruppe mit dem höchsten Risiko für niedrigtraumatische, bzw. spontane Nachfolgefrakturen. Insbesondere in den ersten 2 Jahren nach erfolgter Fraktur ist das Risiko für eine zweite Fraktur stark erhöht. Eine rasche Behandlung der Osteoporose ist deshalb parallel zu den anderen Massnahmen so bald wie möglich einzuleiten. Die schweizerischen sowie internationale Guidelines empfehlen bei imminentem Risiko den primären Einsatz von osteoanabolen Substanzen (Teriparatid, Romosozumab oder Abaloparatid), gefolgt von einer antiresorptiven Therapie mit Bisphosphonaten oder Denosumab. Je nach Risikosituation muss für diese Therapien eine Kostengutsprache eingeholt werden, da die Limitationen der osteoanabolen Medikamente eine Erstlinientherapie nicht (Teriparatid) oder nur unter speziellen Bedingungen (Romosozumab) zulassen.

Merkpunkte

  • Osteoporotische Wirbelfrakturen haben in den letzten Jahren zugenommen und können zu einer erheblichen Langzeitmorbidität und Einschränkung der Lebensqualität führen
  • Die Therapie der Wirbelfrakturen ist multimodal und beinhaltet Analgesie, Physiotherapie, Behandlung der zugrunde liegenden Osteoporose sowie gegebenenfalls chirurgische Massnahmen
  • Wichtiges langfristiges Ziel der Physiotherapie ist die Haltungsschulung, Förderung der Kraft-Ausdauer und des Gleichgewichts, sowie die Wiederherstellung der Selbständigkeit im Alltag
  • Die medikamentöse Therapie sollte möglichst bald nach der Fraktur eingeleitet werden, mit dem Ziel, weitere Frakturen zu verhindern
  • Bei instabilen Frakturen sind chirurgische Interventionen (Kyphoplastie, Vertebroplastie) zu evaluieren

Referenzen