Mit einer gezielten und strukturierten Untersuchung des Ellbogens können viele Pathologien des Gelenkes richtungsweisend erkannt werden.

Die strukturierte Untersuchung des Ellbogengelenkes umfasst die Inspektion, die Palpation, die Bewegungsprüfung, das Messen des Bewegungsumfanges und schliesslich die Prüfung der anterioren, lateralen und medialen Strukturen des Gelenkes.

Zunächst beginnt jede klinische Untersuchung des Ellbogens mit der Inspektion. Das schmerzende Gelenk wird häufig eng am Körper und leicht flektiert und proniert gehalten sowie mit der gegenseitigen Hand gestützt. Entzündliche Prozesse im Bereich des Schleimbeutels (Bursa olecrani) sind meist eine Blickdiagnose und präsentieren sich in der Regel als Schwellung direkt über dem Olecranon. Diese kann akut mit Rötung (septische Bursitis olecrani, Abb. 1) oder als chronischer Prozess (aseptische Bursitis olecrani) mit derber Bursa auftreten. Häufig sind bei Patienten mit einer Bursitis auch Hautläsionen direkt über dem Olecranon erkennbar (trockene Haut, Kratzeffloreszenzen, Psoriasis Plaques, Insektenstiche). Weiter suchen wir nach Narben um das Gelenk.

Abb. 1: Posttraumatische septische Bursitis olecrani nach Sturz mit eröffneter Bursa – Rötung nach proximal und distal

Für die Palpation sind die wichtigsten anatomischen und ossären Landmarken in den Abb. 2 A/B eingezeichnet. Es ist speziell auf den Verlauf des N. ulnaris zu achten. Dieser kann als anatomische Variante oder postoperativ durch chirurgische Vorverlagerung auch vor dem Epicondylus humeri ulnaris verlaufen.

Abb. 2A: Rechter Ellbogen in der Ansicht von lateral und medial ER: Epicondylus humeri radialis EU: Epicondylus humeri ulnaris R : Radiusköpfchen U: Ulna N: N. ulnaris im Sulcus n. ulnaris
Abb. 2B: Rechter Ellbogen von lateral, medial, dorsomedial, dorsolateral

Bei der Bewegungsprüfung können Krepitationen des Gelenkes erkannt werden. Zudem Blockaden, die auf freie Gelenkkörper hinweisen. Weiter fühlen wir im Falle einer Bewegungseinschränkung, ob der Anschlag in der Endstellung des Gelenkes weich (Weichteile, Kapsel) oder hart (ossär: Osteophyten, freie Gelenkkörper, Ossifikationen) ist.

Der Bewegungsumfang wird nach der Neutral-Null-Methode angegeben (Abb. 3). Man beginnt aus der Neutralstellung mit der Bewegung vom Körper weg. Die Pro- und Supination wird mit angelegtem Oberarm und 90 Grad flektiertem Ellbogen getestet. Zum Beispiel würde ein Flexion (F) von 140 Grad mit einem Streckdefizit von 20 Grad und freier Pro- und Supination wie folgt angegeben: E/F = 0/20/140, S/P = 90/0/90.

Abb. 3: Rechter Ellbogen von medial (Extension/Flexion = 5/0/145 Grad)

Eine Hypermobilität von Gelenken fällt oft im Rahmen einer gezielten Untersuchung des Ellbogens auf. Bei Überstreckbarkeit von > 10 Grad empfiehlt es sich den Beighton-Score anzuwenden und die Untersuchung auf die Wirbelsäule, Hand- und Fingergelenke, sowie die Kniegelenke auszuweiten. Die distale Biceps-Sehne lässt sich gut in der anterioren Cubita palpieren.

Ihre Durchgängigkeit wird mit dem Hook-Test geprüft (Abb. 4 A–C). Ist dieser negativ (nicht pathologisch) ist eine Totalruptur der Biceps-Sehne mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht vorhanden. Der Arm des Patienten wird in 90 Grad Flexion und Supination des Ellbogens vor dem Oberkörper untersucht. Der Finger des Untersuchers lässt sich in die intakte Sehne einhaken.

Abb. 4A: Linker Ellbogen mit eingezeichneter Bicepssehne (BS) und Lacertus Fibrosus (LF) nach medial
Abb. 4B: Hook-Test
Abb. 4C: Hook-Test mit dem Kleiderhaken

 

Differentialdiagnose des lateralen Ellbogenschmerzes

• Tennisellbogen
• Plica-Syndrom
• PIN-Syndrom / Supinatorsyndrom
• Radio-capitellare Arthrose
• Laterale Instabilität

Stellt sich ein Patient mit Schmerzen im lateralen Ellbogenbereich vor, so kann mit folgender strukturierter Untersuchung die Diagnose eingegrenzt werden.

Bei einem Tennisellbogen gibt der Patient Schmerzen über dem Epicondylus humeri radialis an. Mit Hilfe des Cozen-Tests kann dies genauer untersucht werden (Abb. 5).

Abb. 5: Cozen Test

Der Patient wird gebeten eine Faust zu formen und den Arm proniert und das Handgelenk extendiert zu halten. Dann muss eine forcierte Dorsalextension im Handgelenk gegen den Widerstand des Untersuchers durchgeführt werden. Bei einem positiven Test gibt der Patient Schmerzen über dem Epicondylus humeri radialis an.

Ein weiterer Grund für einen lateralen Ellbogenschmerz kann ein Plica Syndrom sein. Die Untersuchung erfolgt dynamisch. Bei passiver voller Extension kann im postero-lateralen Gelenksbereich (Soft-Spot, Abb. 6) der typische Schmerz ausgelöst
werden (postero-laterales Impingement). Bei starkem klinischem Verdacht kann eine symptomatische Plica mit Hilfe einer Arthro-MRI Diagnostik bestätigt werden.

Abb. 6: Postero-lateraler Soft-Spot (rechter Ellbogen von lateral)

Das PIN-Syndrom oder Supinatorsyndrom (PIN = posterior interosseus nerve) ist ein Engpass-Syndrom des Ramus profundus des N. radialis in der Supinatorloge und kann ebenfalls zu lateralen Ellbogenschmerzen führen. Geprüft wird vor allem ein typischerweise damit einhergehender Kraftverlust für die Supination. Aus diesem Grund lässt man den Patienten während ca. 1 Minute im Seitenvergleich gegen Widerstand supinieren. Ein Kraftverlust bzw. das Auftreten von Schmerzen können Hinweise für ein PIN-Syndrom sein. Bei starkem klinischem Verdacht kann die Verdachtsdiagnose durch eine neurophysiologische Untersuchung bestätigt werden.

Eine Radio-capitellare Arthrose kann mit dem Grip and Grind Test eingegrenzt werden (Abb. 7). In voller Extension wird der Patient aufgefordert, mit starkem Griff (Faustschluss) Pro- und Supinationsbewegungen durchzuführen. Dies entspricht der maximalen Druckerzeugung auf das radio-capitellare Gelenk. Wenn so der laterale Gelenkschmerz ausgelöst werden kann, ist dies ein Hinweis für eine radio-capitellare Gelenkschädigung, welche dann radiologisch weiter abgeklärt werden kann.

Abb. 7: Grip and Grind Test: Oben forcierte Pronation, unten forcierte Supination gegen Widerstand in voller Extension des Ellbogens

Stabilitätsprüfung des lateralen Ellbogens

Eine weitere mögliche Schmerzursache am lateralen Ellbogen ist die laterale Bandinstabilität. Sie kann von ausgeprägt über leichtgradig bis subtil variieren. Deshalb ist eine genaue und strukturierte Untersuchung wichtig, um auch leichtgradige Instabilitäten früh zu erkennen.

Die Untersuchung der Stabilität des Ellbogens sollte stets im Vergleich zur gesunden Gegenseite erfolgen. Zunächst prüfen wir mit dem Varus-Stresstest eine grobe Bandinsuffizienz (Abb. 8). Ausgeprägte laterale Instabilitäten können bereits so diagnostiziert werden. Für subtilere Instabilitäten sind jedoch weitere Tests erforderlich.

Abb. 8: Varus-Stresstest in 0 Grad und ca. 30 Grad Flexion des Ellbogens

Test der postero-lateralen Band- und Kapsel-Strukturen: Zu den postero-lateralen Strukturen des lateralen Bandkomplexes gehört das LUCL (lateral ulnar collateral ligament, Abb. 9).

Abb. 9: LUCL (lateral ulnar collateral ligament)

Dieses wichtige Band zieht vom Epiconylus humeri radialis zur Ulna. Eine Verletzung dieser Struktur führt zu einer postero-lateralen Rotationsinstabilität (PLRI), welche typischerweise lateralen Ellbogenschmerz verursacht aber z.T. schwierig zu erkennen ist. Die folgenden Tests untersuchen die postero-lateralen Strukturen, insbesondere das LUCL, und können somit eine PLRI frühzeitig erkennen lassen. Die einfachste Möglichkeit die postero-lateralen Strukturen zu testen ist der postero-laterale Schubladentest (Drawer-Test). Der Ellbogen des Patienten wird in 90 Grad Flexion gehalten. Der Arm des Patienten liegt auf dem Unterarm des Untersuchers. Eine Hand palpiert den humero-radialen Gelenkspalt im Soft-Spot Bereich (Abb. 6), mit der anderen Hand wird der Unterarm (Radius und Ulna) kräftig gefasst und eine Aussenrotations-Bewegung des gesamten Unterarmes ausgeführt. Dabei ist eine leichte Subluxation des Radiusköpfchens als Zeichen einer postero-lateralen Rotationsinstabilität (PLRI) mit dem Daumen spürbar. Dies muss mit der Gegenseite verglichen werden (Abb. 10).

Abb. 10: Drawer-Test

Pivot-Shift-Test: Der bekannteste, wenn auch nicht am einfachsten durchzuführende, Test zur Beurteilung der postero-lateralen Strukturen ist der Pivot-Shift-Test (auch posterolateral rotatory apprehension test – O’Driscoll SW. Clin Orthop Relat Res., 2000). Der Patient liegt in Rückenlage mit dem Arm über Kopf, der Unterarm ist supiniert. Unter axialem Druck und Valgus-Stress erfolgt die Flexion des Ellbogens. Im Falle einer postero-lateralen Instabilität kommt es zwischen 20 und 40 Grad Flexion zu einer Subluxation des Radiusköpfchens. Bei einem positiven Test ist die Subluxation durch eine Haut-Einziehung sichtbar. Bei zunehmender Flexion kommt es wieder zu einer spürbaren Reposition des Radiusköpfchens (Abb. 11).

Abb. 11: Pivot-Shift Test

Bei sehr subtilen Instabilitäten und bei unauffälligen oben genannten Tests können ergänzend noch 2 weitere Untersuchungen durchgeführt werden. Die Schmerzprovokation gilt hier als positiver Test und entsprechendem Hinweis für eine leichte PLRI. Table top oder Table top relocation Test: Der Patient stützt seinen Arm in leichter Flexionsstellung und Supination auf einem Tisch ab. Zudem wird er aufgefordert, den Druck durch weitere Flexion zu erhöhen. Dabei treten Schmerzen über dem lateralen Bandapparat auf. Durch Druck auf das Radiusköpfchen durch den Daumen des Untersuchers (Relocation) kann sich der Schmerz bessern (Arvind, JSES, 15: 2006). (Abb. 12).

Abb. 12: Table top Test

Ähnlich wird der Schmerz beim Chair Sign provoziert. Der Patient soll sich von der Arm-Lehne eines Stuhls hochdrücken. Dabei übt er eine belastete Extension auf das Ellbogengelenk aus. Schmerzen treten wiederum über dem lateralen Bandapparat auf (Abb. 13).

Abb. 13: Chair Sign

 

Differentialdiagnose des medialen Ellbogenschmerzes

• Golferellbogen
• Neuritis des N. ulnaris
• Schnappender Trizeps oder Snapping Triceps
• Cubital-Arthrose
• Mediale Instabilität (häufigster Grund)

Stellt sich ein Patient mit Schmerzen im medialen Ellbogenbereich vor, so kann mit folgender strukturierter Untersuchung die Diagnose eingegrenzt werden.

Bei einem Golferellbogen gibt der Patient Schmerzen über dem Epicondylus humeri ulnaris an. Im Gegensatz zum Test beim Tennisellbogen (siehe lateraler Ellbogenschmerz) werden im Falle des Golferellbogens die Flexoren des Handgelenkes gegen Widerstand getestet. Entsprechend gibt der Patient lokalisierte Schmerzen 5–10 mm distal des Epicondylus humeri ulnaris an.

Bei einer Neuritis des N. ulnaris wird der Nerv im Sulcus n. ulnaris palpiert. Ergänzend ist das Hoffmann-Tinel Zeichen zur Diagnostik hilfreich. Ein Beklopfen eines geschädigten Nervs führt dabei zu Parästhesien im Versorgungsgebiet des jeweiligen Nerven. Beim N. ulnaris entlang der ulnaren Kante des Unterarms. Eine Reizung des N. ulnaris kann auch durch eine rezidivierende Luxation oder Subluxation aus dem Sulcus entstehen. Dies prüfen wir durch Flexion im Ellbogen gegen Widerstand. Im Falle eines instabil geführten Nerven luxiert dieser dabei nach vorne über den Epicondylus humeri ulnaris. Bei einer Läsion des N. ulnaris wird das Froment-Zeichen positiv (Abb. 14).

Abb. 14: Prüfen des Froment-Zeichens: links Normalbefund, rechts positives Froment-Zeichen

Der Patient wird dabei gebeten, ein Blatt Papier zwischen Daumen und Zeigefinger zu halten. Bei einer Läsion des Nerven wird der Patient versuchen, das Blatt durch eine Flexion des Daumen-Endgliedes zu halten. Bei starkem klinischem Verdacht, kann mit einer elektrophysiologischen Untersuchung die Diagnose bestätigt werden.

Ein Schnappender Trizeps oder Snapping Triceps kann ebenfalls zu medial betonten Schmerzen führen. Ausgelöst wird dieses eher seltene Schnapp-Phänomen während der Patient den Ellbogen aktiv
streckt und der Untersucher passiven Widerstand gegen die Streckung ausübt und so den Ellbogen in die Flexion führt (exzentrische Belastung des Triceps). Das Schnappen der medialen Triceps-Sehne über den medialen Epicondylus kommt typischerweise nahe der endgradigen Flexion vor. Auch der N. ulnaris kann dabei spürbar mit «schnappen» (bzw. luxieren) und so irritiert und schmerzhaft werden.

Die Cubital-Arthrose mit Beteiligung des ulno-humeralen Gelenkes kann mediale Ellbogenschmerzen verursachen und führt häufig zu einem schmerzhaften Extensions- und/oder Flexionsdefizit. Wir fühlen dabei in der Regel einen harten Anschlag der Bewegungseinschränkung als Hinweis für Osteophyten. Gelegentlich ist die Arthrose auch mit einer Neuritis des N. ulnaris vergesellschaftet. Die Schmerzen treten üblicherweise bei der endgradigen Bewegung und weniger in den mittleren Graden des Bewegungsumfanges auf. Die radiologische Untersuchung kann dann die Diagnose bestätigen.

Stabilitätsprüfung des medialen Ellbogens

Wenn auch seltener als lateral, können mediale Ellbogenschmerzen durch eine Bandinstabilität verursacht werden. Typischerweise kommt dies nach Unfällen (Ellbogenluxationen) oder bei Wurfsportarten (z.B. Baseball) vor.

Mit dem Valgus-Stresstest kann eine ausgeprägte Instabilität des medialen Seitenbandes (MCL – medial collateral ligament) geprüft werden (Morrey, Sanchez-Sotelo. The elbow and its disorders, 2009). Hierbei werden die Schulter in Aussenrotation, der Unterarm in Supination und der Ellbogen leicht flektiert (ca. 30 Grad) gehalten. Die Prüfung von Schmerz und Aufklappbarkeit erfolgt dann im Seitenvergleich (Abb. 15).

Abb. 15: Valgus-Stresstest

Milking Manöver und Moving Valgus Stress-Test: Eine Möglichkeit zur Beurteilung der subtilen medialen Bandinsuffizienz ist das Milking Manöver. Hierbei wird der Ellbogen flektiert und die Schulter in Aussenrotation gehalten. Der Zug am Daumen des Patienten (Milking) verursacht Valgus-Stress und somit Schmerzen über dem medialen Band (Abb. 16).

Abb. 16: Milking-Manöver

Wenn dabei noch durch den Untersucher flektiert und extendiert wird, spricht man vom Moving Valgus Stress-Test. Dieser ist positiv, wenn der Schmerz über dem medialen Seitenband zwischen 70 und 120 Grad Flexion am stärksten ist. Bei klinischem Verdacht einer medialen Bandinstabilität kann mit einer Arthro-MRI Untersuchung die Diagnose erhärtet werden.