Harnsäurekontrolle zur Vorbeugung von Gichtanfällen bei asymptomatischen Patienten

Serum uric acid control for prevention of gout flare in patients with asymptomatic hyperuricaemia: a retrospective cohort study of health insurance claims and medical check-up data in Japan

Koto R et al. Ann Rheum Dis 2021;80:1483

In dieser retrospektiven Kohortenstudie in Japan wurden knapp 20’000 Patientenakten der Krankenversicherer ausgewählt und retrospektiv untersucht in Bezug auf das Auftreten von symptomatischer Gicht über einen Zeitraum von 2 Jahren.
Komorbiditäten bei den zu 98% männlichen Patienten lagen nur selten vor, davon war die arterielle Hypertonie mit knapp 14% und Hyperlipidämie mit 11% am häufigsten vertreten, wohingegen Diabetes, koronare Herzerkrankung und cerebrovaskuläre Probleme deutlich unter 10% lagen. Auch eine Niereninsuffizienz lag nur selten vor, die meisten Patienten (74.4%) zeigten eine eGFR zwischen 60–90 ml/min/1.72m2.
In einer multivariaten Analyse wurde bei Erreichen der Zielharnsäurewerte von < 6.0 mg/dl (entspricht ca. 360 microm/l) eine deutlich reduzierte Rate von Gichtschüben verzeichnet im Gegensatz zu Patienten, die diesen Wert nicht erreichten.

Kommentar:
Harnsäuresenkung auf einen international definierten Wert im Sinne einer «treat-to-target» Strategie NACH dem Auftreten von Gichtanfällen trifft auf breiten Konsens. Bislang wird im klinischen Alltag eine isoliert erhöhte Harnsäure nicht therapiert. Diese Studie kann zum Umdenken einladen und scheint eine vorbeugende Harnsäuresenkung zu rechtfertigen. Ob dies flächendeckend medikamentös eingeführt werden sollte, erscheint mir dennoch fraglich.
Auffällig im Vergleich zu «typischen» europäischen Kohorten ist, dass die erwarteten Komorbiditäten des sogenannten metabolischen Syndroms und auch eine Niereninsuffizienz hier nur bei wenigen Patienten vorlagen.
Es ist sicher sinnvoll, die Betroffenen auf die hohe Wahrscheinlichkeit des zukünftigen Auftretens von Gichtschüben hinzuweisen und zumindest eine entsprechende Umstellung der Lebens- und Ernährungsgewohnheiten anzustreben. Dies ist schwierig und aufwändig, bei den europäisch zu erwartenden metabolischen Komorbiditäten aber sicher mehr als sinnvoll. Den Versuch einer Ernährungsberatung inclusive Umsetzung und Laborkontrolle ist es dennoch wert, bevor eine neue Tablette verschrieben wird.

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Prof. Dr. Sabine Adler
Aarau

Prädiktoren für die Entwicklung einer Systemsklerose bei Patienten mit Raynaud Phänomen

Progression of patients with Raynaud's phenomenon to systemic sclerosis: a five-year analysis of the European Scleroderma Trial and Research Group multicentre, longitudinal registry study for Very Early Diagnosis of Systemic Sclerosis (VEDOSS)

Bellando-Randone S et al. Lancet Rheumatol 2021:online ahead of print

In dieser Studie wurden aus dem VEDOSS Register Patienten mit Raynaud Phänomen im Verlauf verfolgt und klinische und Labor Prädiktoren (sogenannte VEDOSS Kriterien) für die Entwicklung in Richtung Systemsklerose analysiert. Die VEDOSS Kriterien umfassten folgende Parameter: pos. ANA, pos. Systemsklerose AK (anti-Centromer, anti-Scl-70 AK und anti-RNA Polymerase III AK), Puffy Fingers und eine pathologische Kapillarmikroskopie. Es wurden 1150 Patienten mit Raynaud Phänomen in der VEDOSS Datenbank gefunden, davon erfüllten 764 die Einschlusskriterien, d.h. sie erfüllten nicht die Klassifikationskriterien für eine Systemsklerose oder eine andere Kollagenose. Von den 764 Patienten hatten 553 genügend Angaben zum definitiven Einschluss in die Studie. 254 davon entwickelten eine Systemsklerose im Verlauf oder hatten einen Beobachtungszeitraum von 5 Jahren.

Zusammenfassend hatten Patienten mit negativen ANA zu Beginn das tiefste Risiko (10.8%) zur Entwicklung einer Systemsklerose im Beobachtungszeitraum von 5 Jahren, während Patienten mit Puffy Fingers und pos. Systemsklerose-typischen AK das höchste Risiko hatten (94.1%).

Konklusion:
Die Ergebnisse dieser Studie bestätigen frühere Untersuchungen, dass es klinische und Labor Parameter gibt, die bei Patienten mit neu aufgetretenem Raynaud Phänomen eine Risikostratifizierung für die Entwicklung einer Systemsklerose erlauben. Die primäre Abklärung bei einem neu aufgetreten Raynaud Phänomen sollte die klinische Untersuchung (Sklerodaktylie, Puffy Fingers etc.), die Bestimmung der ANA und der Systemsklerose spezifischen Antikörper (anti-Centromer, anti-Scl-70 und anti-RNA Polymerase III) sowie eine Kapillarmikroskopie umfassen. Je mehr dieser Parameter positiv sind, desto grösser ist das Risiko, eine Systemsklerose zu entwickeln und entsprechend engmaschiger sollten die Verlaufskontrollen durchgeführt werden.

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Dr. Thomas Langenegger
Baar

Häufigkeit von Antikörpern bei Myositis (IIM)

Myositis-Specific Antibodies and Myositis-Associated Antibodies in Patients With Idiopathic Inflammatory Myopathies From the PANLAR Myositis Study Group

González-Bello Y. et al. J Clin Rheumatol 2021;27:e302

Von 210 Patienten mit idiopathischer inflammatorischer Myopathie (IIM) [139 (66.2%) Dermatomyositis [DM], 59 (28%) Polymyositis [PM] und 12 (5.7%) juvenile DM; Durchschnittsalter 43.5 Jahre; 158 (75.2%) weiblich und 52 (24.8%) männlich] eines lateinamerikanischen Registers hatten 60% positive ANA. Am häufigsten waren sie «fine speckled» (AC-4) (78.3%) und «cytoplasmic» (AC-19) (6.45%). Bei den Myositis-spezifischen Autoantikörpern (MSAs) waren anti-Mi-2 (38.5%) und anti-Jo-1 (11.9%) am häufigsten. Bei den Myositis-assoziierten Autoantikörpern (MAA) wurden anti-Ro-52/TRIM21 (17.6%) und anti-PM-Scl75 (7.5%) am häufigsten nachgewiesen.

Die Serologie bei IIM lässt zu wünschen übrig. Es ist gut, sich die (niedrige) Prävalenz von Antikörpern vor Augen zu halten: diese Kohorte zeigt, dass ANA in 60% und anti-Mi-2 (einziger nukleärer Antikörper) in gegen 40% der Patienten nachweisbar sind, während weitere wie anti-Jo-1 (gegen die histidyl-tRNA Synthetase, lediglich gute 10%), anti-SSA/Ro52 (gute 15%) und anti-PM-Scl75 (7.5%) in eher geringerem Ausmass als bisher angenommen vorkamen.

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KD Dr. Marcel Weber
Zürich

SLE: Kardiale Manifestationen

Cardiac Manifestations of Systemic Lupus Erythematosus: An Overview of the Incidence, Risk Factors, Diagnostic Criteria, Pathophysiology and Treatment Options

Zagelbaum Ward N. K. et al. Cardiology in Review 2022;30:38

Review der Literatur betreffend kardiale Manifestationen bei SLE: Der Fokus liegt auf der Inzidenz, den Risikofaktoren, sowie den diagnostischen Kriterien, der Pathopysiologie und den therapeutischen Optionen.

Die beschriebenen kardialen Manifestationen umfassen Perikarditis, Myokarditis, valvuläre Erkrankung, Atherosklerose, Thrombose und Arrythmien. Der kardiale Befall bei SLE ist mit einer erhöhten Krankheitslast und Mortalität verbunden. Es ist unklar, ob die traditionellen Therapien für eine koronare Herzkrankheit sich auch signifikant bei SLE auswirken.

Perikarditis:
Häufigste Manifestation, in Autopsiestudien bis 83%, in Ultraschalluntersuchungen bis 54%. Meist asymptomatsich.
Therapieoptionen: Kortikosteroide, Cholchicin, andere Immunsuppressiva.

Myokarditis:
10% der Patienten. In Autopsie bis über 50%.
Hinweise: Erhöhtes Troponin bei hoher BSR und tiefen C3 und C4.
Diagnose: Schwierig, Biopsie wird angestrebt.
Therapie: Schlecht untersucht; RTX?

Valvuläre Erkrankung:
Bis 25%, in Autopsie bis 75%. Die Libman-Sacks Endokarditis (meist mitral), erst spät im Verlauf, steril.
Therapie: Schlecht belegt, meist Kortikosteroide, Antikoagulation bei Antiphospholipidsyndrom, Operation bei hämodynamischen Komplikationen.

Atherosklerose:
Bis 50mal häufiger als in der Allgemeinbevölkerung, besonders bei jüngeren Frauen.
Risikofaktoren: Kortikosteroide, Hyperglykämie, Hyperlipidämie und Hypertonie.
Therapieansätze: Atorvastatin, Hydroxychloroquin, Fitnesstraining, wahrscheinlich Statine im allgemeinen.

Thrombosen:
Bei Antiphospholipidsyndrom wirkt Marcumar; Faktor-Xa-Inhibitoren führen zu erheblichen Nebenwirkungen inklusive Thrombosen.

Arrythmien:
Kongenitaler Herzblock bei neonatalem Lupus (anti-Ro-Antikörper vermittelt).
Prävention: Hydroxychloroquin.
Therapie: Eventuell Dexamethason.

Bei Erwachsenen kommen abnormer Puls inklusive Sinustachykardie vor (schlecht untersucht).

Fazit:
Meist bleibt die Perikarditis asymptomatisch und klinisch nicht relevant. Andere Manifestationen, darunter insbesondere die Atherosklerose, führen besonders im Kontext von zusätzlicher Komorbidität (Diabetes, Hyperlipidämie, Hpertonie) zu erhöhter Morbidität und Mortalität. In der Praxis gilt das Augenmerk insbesondere dieser Komplikation und deren Behandlung. Dabei wird unter anderem auch die günstige Rolle von Hydroxychloroquin einmal mehr betont.

Zur Studie
Prof. Dr. Beat A. Michel
Zürich