Blockade der Genicularnerven bei Gonarthrose

Ultrasound-Guided Genicular Nerve Block Versus Physical Therapy for Chronic Knee Osteoarthritis: A Prospective Randomised Study

Güler T. et al. Rheumatology International 2022:online ahead of print

In einer einfach verblindeten prospektiven, randomisierten Studie mit 102 Patienten wurde die Wirksamkeit einer ultraschallgesteuerten Genicularnervenblockade (GNB) bei Patienten mit chronischer Kniearthrose (Kellgren II und III) mit Physiotherapie (PT) allein verglichen. Analysiert wurden Schmerz auf einer visuellen Analogskala (VAS), der Western Ontario and McMaster Universities Osteoarthritis Index (WOMAC) und der 6-Minuten-Gehtest (6MWT) nach 2 und 12 Wochen. Während die Zunahme beim 6MWT-Test in der 2. Woche in beiden Gruppen ähnlich war (p = 0,073), war die Zunahme der Gehstrecke in der ultraschallgesteuerten GNB-Gruppe nach 12 Wochen größer (p = 0,046). Im Vergleich zur PT wirkte sich die ultraschallgestützte GNB positiv auf die Schmerzlinderung und die Steigerung der funktionellen und körperlichen Leistungsfähigkeit aus, wobei die Auswirkungen auf die körperliche Leistungsfähigkeit nach 12 Wochen stärker erhalten blieben.

Kommentar:
Die konservative Behandlung der symptomatischen Gonarthrose bleibt schwierig. Als interventionelle Massnahme hat sich neben PRP und Steroidinjektionen die Genicularnervenblockade als weitere additive Massnahme bewährt. Leider wird in den Studien (auch in der vorliegenden) und auch oft in der Praxis nur der superomediale, inferomediale and superolaterale Genicularnerven-Ast blockiert, insbesondere da der lateroinferiore Ast infolge der Nähe zum N. peroneus schwieriger zu infiltrieren ist.

Die Studie weist einige Einschränkungen auf; vor allem das Fehlen einer Kontrollgruppe und die Verwendung von zusätzlichen Steroiden sind hervorzuheben. Zusätzlich war der Nachbeobachtungszeitraum mit nur 3 Monaten zu kurz; dieser entspricht in etwa der Placebowirkungszeit. Die Studie unterstützt die Resultate von früheren Studien, welche ebenfalls eine additive Wirkung einer Genicularnervenblockade gezeigt haben. Es wäre nun an der Zeit, eine randomisierte Placebo kontrollierte Studie ohne Steroide und über einen genügend langen Beobachtungszeitraum anzustreben.

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Dr. Christian Marx
Zürich

Wirksamkeit der endoskopischen transforaminalen Diskektomie

Full endoscopic versus open discectomy for sciatica: randomised controlled non-inferiority trial

Gadjradj PS et al., BMJ 2022: 21;376

In dieser multizentrischen non-inferior randomisiert kontrollierten Studie aus Holland wurde die offene Mikrodiskektomie (OMD) mit der perkutanen, transforaminalen endoskopischen Diskektomie (PTED) bei Patienten mit symptomatischer Diskushernie und Versagen der konservativen Therapiemassnahmen verglichen. Nicht eingeschlossen wurden allerdings Patienten mit grossen sequestrierten Diskushernien, die transforaminal nicht zugänglich waren.
Es wurden 613 Patienten randomisiert, davon erhielten 304 Patienten eine PTED und 309 die OMD. Im primären Studienendpunkt nach 1 Jahr konnten die Daten von 287 der PTED und 245 der OMD Patienten ausgewertet werden. In die definitive Auswertung wurden die ersten 125 der PTED Gruppe nicht einbezogen, da die PTED Methode für einige Operateure neu war und diese Fälle als «Learning Curve Cases» gewertet wurden.

Im primären Studienendpunkt Beinschmerzen nach 12 Monaten zeigte sich die PTED Methode der OMD nicht unterlegen. Es zeigte sich sogar ein signifikanter Unterschied von 7.1 in der VAS (0-100) zugunsten der endoskopischen Operationsmethode. In den sekundären Studienendpunkten (Oswestry Disability Index, Rückenschmerz, Lebensqualität) war ebenfalls keine Unterlegenheit der PTED nachzuweisen. Es zeigte sich auch eine Tendenz zu Gunsten dieser endoskopischen Operationsmethode.
Die Patienten in der PTED Gruppe hatten zudem einen kleineren Blutverlust, eine kürzere Hospitalisationszeit und eine schnellere postoperative Mobilisation. Als Komplikationen traten bei 8 Patienten in der OMD ein Duralleck und bei 3 eine Wundinfektion auf, verglichen mit keinem in der PTED Gruppe. In dieser Gruppe kam es in einem Fall zur einer Nervenverletzung und einer TVT. Die Reoperationsrate betrug in der PTED Gruppe 5.3 % und 5.1 % in der OMD Gruppe.

Kommentar:
Die perkutane endoskopische transforaminale Diskektomie ist eine neuere minimal invasive Operationstechnik zur Behandlung von Diskushernien mit Lumboischialgie nach Versagen der konservativen Therapiemassnahmen. Sie scheint der offenen mikrochirurgischen Diskektomie mindestens ebenbürtig zu sein bei nicht mehr Komplikationen und dem Vorteil der kürzeren Hospitalisation und Regenerationszeit. Sie ist allerdings nicht bei allen Diskushernien anwendbar. Insbesondere bei grossen und auch sequestrierten medialen Hernien kann diese Methode nicht angewendet werden.

Zur Studie
Dr. Thomas Langenegger
Baar

Passives Rauchen begünstigt die Entstehung einer RA

Passive Smoking Throughout the Life Course and the Risk of Incident Rheumatoid Arthritis in Adulthood Among Women

Yoshida K. et al. Arthritis Rheumatol 2021;73:2161

Die Autoren untersuchten in der prospektiven Kohorte der Nurses‘ Health Study II den Einfluss von (1) mütterlichem Rauchen während der Schwangerschaft (In-utero-Exposition), (2) elterlichem Rauchen im Kindesalter und (3) Jahren, die seit dem 18. Lebensjahr mit Rauchern gelebt wurden. Unter 90‘923 Frauen wurden 532 Rheumatoide Arthritis (RA)-Fälle (66% seropositiv) während durchschnittlich 27.7 Jahren nachverfolgt. Das Rauchen der Mutter während der Schwangerschaft hatte eine signifikante Hazard Ratio (HR) von 1.25 für die Diagnose RA beim Kind. Die HR beim Rauchen der Eltern im Kindesalter betrug 1.41; bei seropositiver RA betrug die HR sogar 1.75, und bei späteren Raucherinnen gar 2.18. Beim Passivrauchen im Erwachsenenalter gab es keine signifikante Assoziation mit RA (HR 1,30 für ≥20 Jahre Zusammenleben mit einem Raucher gegenüber keinem).

Die epidemiologische Studie belegt den Einfluss des elterlichen Rauchens in Schwangerschaft und Kindheit auf das Auftreten einer seropositiven RA im Erwachsenenalter. Einmal mehr werden wir daran erinnert, dass wir nicht nur unsere Patienten, sondern auch deren Angehörige zum Rauchstopp motivieren müssen.

Zur Studie
KD Dr. Marcel Weber
Zürich

Colchicin: Neue Anwendungsgebiete?

Colchicine-regeneration of an old drug

Casey A. et al. Irish Journal of Medical Science 2022:online ahead of print

Colchicin, ein Alkaloid der Herbstzeitlose (Colchicum autumnale), wurde erstmals in Ägypten 1500 v. Ch. als Rheumabehandlung beschrieben. Im Gegensatz zu NSAR und Steroiden wirkt es nicht über den Arachidonsäureweg, sondern inhibiert die Motilität, Phagozytose und Degranulation der weissen Blutzellen. Zudem hemmt es Interleukin-1beta und Interleukin-18, womit die Inflammasombildung gehemmt wird.

Entsprechend bildet die klassische Indikation zur Behandlung mit Colchicin die Gicht. Aber auch die Pseudogicht (Kalziumpyrophosphatarthropathie), der Morbus Behçet sowie andere Erkrankungen wie familiäres Mittelmeerfieber oder chronische Aphtose werden mit teils grossem Erfolg damit behandelt.

Bei der Gicht kann es im Gegensatz zu NSAR auch bei leichter bis mässiger Niereninsuffizienz verabreicht werden (Ausscheidung vor allem über die Leber, nur 10 bis 20% über die Niere).

Neuere Studien haben nun insbesondere auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen die Rolle von Colchicin untersucht. In einer tiefen Dosierung von in der Regel 2 x 0,5 mg täglich ist gut belegt, dass die idiopathische Perikarditis sowohl bezüglich Symptomen wie auch Rezidiven durch Colchicin günstig beeinflusst wird. Heute gilt Colchicin als Therapie der ersten Wahl bei idiopathischer Perikarditis (die frühere Verabreichung von Glukokortikoiden in der Akutphase war mit gehäuften Rezidiven assoziiert. In der Regel wird bei der Perikarditis Colchicin mit einem NSAR bzw. Aspirin verabreicht; wie gut Colchicin alleine wirken würde, ist bisher nicht konklusiv untersucht.

Neue Hinweise zur Wirkung bei Koronarkrankheit: Trotz ausgiebiger Behandlung der Risikofaktoren einer Atherosklerose besteht bei chronischer Koronarerkrankung weiterhin ein hohes Risiko für akute Ereignisse. Ein wesentlicher Bestandteil der Atherogenese bildet die Entzündung. Verschiedene Studien haben nun gezeigt, dass tiefdosiertes Colchicin kardiovaskuläre Ereignisse (Tod, Myokardinfarkt, Hirnschlag) bei chronischer Koronarerkrankung zu vermindern vermag. Es wird zu zeigen sein, welche Rolle Colchicin bei kardiovaskulären Erkrankungen im Alltag und insbesondere bei Hochrisikopatienten spielt.

Im Gegensatz zu anderen untersuchten teureren Substanzen wie Canakinumab ist Colchicin sehr kostengünstig und in tiefer Dosierung gut verträglich.

Zur Studie
Prof. Dr. Beat A. Michel
Zürich