Cannabiskonsum: bei guter Verfügbarkeit jede 10. schwangere Kalifornierin

Geographic Accessibility of Retail Cannabis in Northern California and Prenatal Cannabis Use During the COVID-19 Pandemic

Young-Wolff K.C. et al. JAMA Netw Open 2022;5(11):e2244086

Bei 99‘127 Schwangerschaften in Kalifornien wurde der Cannabiskonsum mit toxikologischen Urintests, die während der frühen Schwangerschaft am Eintritt in die Schwangerschaftsvorsorge durchgeführt werden, bestimmt. Der pränatale Cannabiskonsum betrug vor der Corona-Pandemie 6.8% und während 8.2%. Er war höher, wenn ein Einzelhändler innert 10 Autominuten erreichbar war, bei grösserer Einzelhandelsdichte und bei erlaubtem Verkauf vs. eingeschränktem. Es gab einen grösseren absoluten Anstieg des Cannabiskonsums von vor bis während der Pandemie bei denjenigen Frauen, welche Cannabis innerhalb einer 10-minütigen Fahrt frei kaufen konnten; ansonsten stiegen die relativen und absoluten Raten in den Kategorien der Nähe/Dichte des Cannabiseinzelhändlers und der lokalen Politik in ähnlicher Weise an.

Die Autoren haben diese Analyse von nordkalifornischen Kaiser Permanente-Daten durchgeführt, um den Stress der Corona-Pandemie für einen Anstieg des Cannabis-Konsums verantwortlich zu machen, allerdings ohne zu vergleichen, ob bereits vor der Corona-Pandemie ein kontinuierlicher Anstieg bestand. Erschreckend fand ich die absolute Zahl von bis 10% der Schwangeren mit Cannabis, dessen Wirkung auf die Embryonalentwicklung wenig untersucht ist und worauf die Studie nicht einging. Nicht überrascht hat mich, dass der Prozentsatz des Cannabiskonsums mit Nähe zum Detailhändler und freiem Zugang signifikant höher ist, was die Politiker nicht beeindruckt. Die Autoren folgern salomonisch, dass eine kontinuierliche Überwachung der lokalen Cannabispolitik, des Einzelhandelsumfelds und des pränatalen Cannabiskonsums erforderlich sei.

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KD Dr. Marcel Weber
Zürich

TNF Blocker kombiniert mit einem Glucocorticoid-Rezeptor Modulator bei RA

Efficacy and Safety of ABBV-3373, a Novel Anti-Tumor Necrosis Factor Glucocorticoid Receptor Modulator Antibody Drug Conjugate, in Adults with Moderate to Severe Rheumatoid Arthritis Despite Methotrexate Therapy: a Randomized, Double-Blind, Active-Controlled Proof-of-Concept Phase 2a Trial

Buttgereit F. et al. 2022:online ahead of print

In dieser Studie wurde als proof-of-concept Trial die Wirksamkeit des TNF Hemmers Adalimumab gekoppelt mit einem Glucocorticoid-Rezeptor-Modulator als ein Antikörper-Konjugat Medikament zur Behandlung der RA untersucht.

Unter etablierter Methotrexattherapie wurde bei 48 Patienten mit RA zusätzlich entweder das anti-TNF (Adalimumab)/GCM Konjugat (ABBV-3373) verabreicht oder ein anti-TNF Präparat (Adalimumab) alleinig.

Der primäre Endpunkt der DAS-28/CRP Veränderung nach 12 Wochen zeigte numerisch ein besseres Outcome in der ABBV-3373 Gruppe im Vergleich zu den anderen Patienten (-2.65 versus -2.29; probability=89.9%). Bei Patienten in der ABBV-3373 Gruppe, welche einen DAS28/CRP von < 3.2 nach 12 Wochen erreicht hatten, konnten ca. 70% dieses Ansprechen auch für weitere 12 Wochen erhalten, obwohl im Rahmen der Studienbedingungen bereits auf Placebo umgestellt worden war.

Ein schwerwiegendes Ereignis fand sich in der ABBV-3373 Gruppe aufgrund initial rascher Infusionsgeschwindigkeit im Sinn einer anaphylaktischen Reaktion, welche nach Reduktion der Infusionsgeschwindigkeit nicht mehr zu verzeichnen war.

«Nebenbei» wurde bei initial stabiler GC Dosis diese innerhalb von 4 Wochen auf 0 mg reduziert.

Fazit für die Praxis
Lange wurde darüber diskutiert, nun gibt es erste Ergebnisse: die Modulation des GC Rezeptors kann einen positiven Effekt ausüben, insbesondere in Kombination mit der bewährten TNF Hemmer Therapie. Weitere Schritte auch in Bezug auf sichere Handhabung, dauerhafte Krankheitsremission und Reduktion einer zusätzlichen – oder dann nicht mehr notwendigen – GC Gabe werden erwartet.

Eventuell wird es irgendwann selbstverständlich sein, diesen Mechanismus «zu bedienen».

Zur Studie
Prof. Dr. Sabine Adler
Aarau

Revidierte Remissionskriterien für RA

American College of Rheumatology/EULAR remission criteria for rheumatoid arthritis: 2022 revision

Studenic P. et al. Ann Rheum Dis 2023;82:74

Die letzten Kriterien zur Erfassung einer Remission bei rheumatoider Arthritis (RA) stammen aus dem Jahre 2011. Neue Erkenntnisse und Studien führten zu einer kritischen Revision dieser Kriterien, welche mit dieser Studie publiziert werden.

Die bisherigen wie auch die neuen Kriterien beruhen auf einer zusammengesetzen Definition (Boolean Definition, genannt nach George Boole) von vier Parametern (Anzahl schmerzhafte Gelenke, Anzahl geschwollene Gelenke, globale Krankheitsaktivität (GA) und CRP); diese mussten alle bisher einen Wert von £ 1 haben für das Erreichen der Remission. Die Erkenntnis, dass der Wert der GA, geschätzt durch den Patienten, zu tief eingesetzt war, führte zu einer Evaluation des entsprechenden Wertes, welcher schliesslich nach Analyse von Studien bei früher sowie fortgeschrittener RA auf einen Wert von £ 2 festgelegt wurde. Die Verwendung der neuen Richtlinien ergibt so einen höheren Anteil von Patienten in Remission (weniger stringente Definition der GA). Dies ist um so mehr berechtigt, als die GA nicht nur Entzündungsfaktoren einschliesst, sondern auch Ausdruck von Schmerzen aufgrund von Gelenksschäden sein kann, obwohl die Krankheit sich in klinischer Remission befindet.

Fazit
Für die Praxis spielen die neuen Remissionskriterien (mit einem höheren Wert für die GA) wohl kaum eine bedeutende Rolle, für Trials sind sie jedoch ausserordentlich wichtig. Die Konsequenz für die Praxis ist die Erkenntnis, dass eine Remission vorhanden sein kann, ohne dass der Patient asymptomatisch ist. Die Gesamtbeurteilung des Arztes ist nach wie vor wichtig zur Erfassung einer Remission, insbesondere die Berücksichtigung der Parameter der Entzündung. Bei klinischer Remission und trotzdem persistierenden Schmerzen ist eine eingehendere Untersuchung angezeigt, vorteilsweise auch die Erfassung der Entzündung mittels Ultraschall, um den Bedarf an medikamentöser Therapie abzuschätzen.

Zur Studie
Prof. Dr. Beat A. Michel
Zürich