Absetzen neuer oraler Antikoagulanzien bei Gelenkinterventionen: Ja oder Nein?

To Stop or Not to Stop Novel Oral Anticoagulants Prior to Performing Joint Interventional Maneuvers? Evidence from a Prospective Study That Therapy Can Be Maintained

Micu A et al. Clin Rheumatol 2024:doi:10.1007/s10067-2024-07048-6

Antikoagulation ist häufig bei Patienten, die routinemäßigen muskuloskelettalen Eingriffen unterzogen werden. Ultraschallgesteuerte (US) Interventionen haben ein überlegenes Sicherheitsprofil im Vergleich zu anatomisch „blinden“ Verfahren gezeigt. Ziel dieser prospektiven Untersuchung war es, periprozedurale Blutungsereignisse bei mit NOAKs antikoagulierten Patienten zu bewerten, die sich artikulären oder periartikulären Eingriffen unterziehen.

Es wurden konsekutiv Patienten mit entzündlich-rheumatischen oder degenerativen Erkrankungen rekrutiert, die eine Intervention erforderten. Die Patienten wurden in drei Gruppen unterteilt: Gruppe 1 erhielt NOAKs, Gruppe 2 wurde mit Vitamin-K-Antagonisten (VKA) behandelt, und Gruppe 3 war nicht antikoaguliert. Vor dem Eingriff wurde die NOAK-Therapie kontinuierlich gemäß der zugrunde liegenden Indikation fortgeführt.

Erfasst wurden demografische Daten, Begleiterkrankungen, Laborparameter, lokal verabreichte Medikamente (Kortikosteroide oder Viskosupplemente), Lokalisation der Intervention, Nadeldicke und lokale Blutungsereignisse. Die Nachkontrollen erfolgten 30 Minuten, 48 Stunden und 7 Tage nach dem Eingriff.

Es traten keine artikulären oder periartikulären Blutungen bei mit NOAKs behandelten Patienten auf, unabhängig von Typ und Dosierung der Antikoagulanzien, der lokal verabreichten Medikamente, der Nadeldicke, der Lokalisation oder der Anzahl der Eingriffe pro Patient. In allen Gruppen entwickelten einige Patienten kleine oberflächliche Hämatome an der Injektionsstelle.

Die Ergebnisse legen nahe, dass NOAKs auch in einem kontinuierlichen Regime vor ultraschallgesteuerten Injektionen sicher angewendet werden können, selbst in Kombination mit Aspirin als dualer antithrombotischer Therapie.

Kommentar
Diese prospektive kontrollierte Studie untersucht erstmals das Risiko von Blutungen während und nach interventionsbasierten Verfahren bei Patienten unter kontinuierlicher Behandlung mit NOAKs. Die Ergebnisse zeigen, dass es bei keinem der Patienten, die ein breites Spektrum an ultraschallgeführten Interventionen durchliefen, zu Blutungen kam. Ein Novum dieser Untersuchung war die Verwendung größerer Nadelkaliber (18 G) und die Einschließung von anatomischen Zielen wie Sehnenscheiden und Karpaltunnel-Injektionen. Ein weiteres wichtiges Ergebnis betrifft Patienten unter Vitamin-K-Antagonisten (VKA). Hier trat bei keinem der Verfahren eine Blutung auf, auch bei einem INR-Wert über 3,5. Dies bestätigt, dass weder eine Dosisanpassung noch ein Absetzen der Therapie notwendig ist.

Die  positiven Ergebnisse sind ermutigend, erfordern jedoch aufgrund der begrenzten Stichprobengrösse trotzdem eine gute Indikationsstellung und erfahrenen Arzt für Ultraschall gesteuerte Intervention für die Durchführung.

Zur Studie
Dr. Christian Marx
Zürich

Keine befriedigende Therapie für Morbus Dupuytren

Collagenase Injection versus Limited Fasciectomy for Dupuytren's Contracture

Dias J. et al. N Engl J Med 2024;doi:10.1056/NEJMoa2312631

672 Patienten mit moderatem Morbus Dupuytren (336 pro Gruppe) wurden multizentrisch randomisiert, aber nicht verblindet, einer Kollagenase-Injektion oder einer begrenzten Fasziektomie zugeteilt (DISC trial). Der mittlere Wert des Patient Evaluation Measure-Hand Health Profile (PEM, 0 bis 100, höhere Punktzahl korreliert mit schlechterem Resultat) nach 1 Jahr betrug 17.8 in der Kollagenase-Gruppe (n=284) und 11.9 in der Gruppe mit begrenzter Fasziektomie (n=250) (p=0.49 für Nichtunterlegenheit bei einem vorgegebenen Nichtunterlegenheitsspielraum von 6 Punkten). Nach 2 Jahren betrug die Differenz des PEM 7.2 Punkte (n=229 Kollagenase vs. n=197 Fasziektomie). Mittelschwere oder schwere Komplikationen traten bei 1.8 % (Kollagenase) und bei 5.1 % (Fasziektomie) auf. Eine erneute Intervention betraf 14.6 % (Kollagenase) bzw. 3.4 % (Fasziektomie).

Obwohl hochkarätig im NEJM publiziert, bringt diese weitere Studie zum Morbus Dupuytren keine neuen Erkenntnisse. Die Behandlung bleibt schwierig mit funktionell ungenügenden Ergebnissen und häufigen Rezidiven. Die Studie weist auch einige methodische Mängel auf (unverblindet, Datensätze uneinheitlich und nur bei gut 60% der Einschlusspopulation erhältlich, nicht erreichte Patientenzahl von geplanten 710).

In der Schweiz ist die Kollagenase aus dem Handel gezogen worden. Für das Needling, welches vor allem in Frankreich und auch in der Westschweiz praktiziert wird, überzeugen die Studien nur begrenzt. Unterschiede zwischen ausgedehnter oder begrenzter chirurgischer Fasziektomie konnten bisher nicht gezeigt werden.

Zusammengefasst muss der Patient entscheiden, zu welchem Zeitpunkt welche Behandlungsmethode ausgeführt werden soll, und es bleibt am ehesten beim chirurgischen Eingriff.

Zur Studie
KD Dr. Marcel Weber
Zürich

Korreliert CAM-Konfiguration der Hüfte mit Beschwerden?

The association between cam morphology and hip pain in males and females within 10 years: A national prospective cohort study (CHECK)

Tang J et al., Semin Arthritis Rheum 2024:online ahead of print

In dieser prospektiven Hüft- und Knie-Kohortenstudie aus Holland wurde untersucht, ob eine radiologische CAM Morphologie im Hüftbereich, definiert als alpha-Winkel > 60 Grad, über einen Beobachtungszeitraum von 10 Jahren mit der Entwicklung von Hüftschmerzen korreliert. In die Studie wurden 1002 Patienten (im Mittel 56 Jahre alt, 79 % Frauen) eingeschlossen. Ausgewertet von diesen Personen wurden 1658 Hüften. Ein Follow-Up inkl. Hüftröntgen erfolgte nach 2,5,8 und 10 Jahren. Von den 1658 Hüften wiesen 11.1 % eine CAM-Morphologie radiologisch auf. Im Beobachtungszeitraum von 10 Jahren zeigte sich keine Korrelation zwischen der CAM-Morphologie zu Beginn der Beobachtung und der Entwicklung von Hüftschmerzen im Verlauf. Es fand sich auch keine Korrelation zwischen der Grösse des alpha-Winkels und der Intensität der Hüftschmerzen.

Kommentar
Eine weitere Studie, die eine schlechte Korrelation von einem Röntgenbefund, in diesem Fall einer CAM-Morphologie im Hüftgelenk, und der Klinik zeigt. Entscheidend in unserer klinischen Tätigkeit ist die Anamnese und klinische Untersuchung und nicht radiologische Befunde. Beim symptomatischen Hüft-Impingement sind die Schmerzangabe und der klinische Befund mit Schmerzprovokation inguinal beim Impingement-Test (Flexion 90 Grad, Adduktion und Innenrotation) der Hüfte entscheidend. Die Röntgenuntersuchung hilft dann, die klinische Verdachtsdiagnose zu bestätigen.

Zur Studie
Dr. Thomas Langenegger
Baar

Schulterschmerz: von zervikal oder aus der Schulter? Ein Test entscheidet

Swimmer arm-to-shoulder test for early differentiation between shoulder and cervical spine pathology in patients with shoulder pain

Hamoud H et al. BMC Musculoskeletal Disorders 2024;25:940

Evaluation des sogenannten «Swimmer arm-to-shoulder» (SAS) Testes in Bezug auf seine Wertigkeit in der Differenzierung zwischen Schulterimpingement und zervikaler Radikulopathie bei Patienten mit Schulterschmerzen von maximal drei Monaten Dauer.

718 Patienten mit unilateralem lokalisiertem Schultergürtelschmerz; die Vergleichsdiagnostik zur Evaluation des Testes bestand in klinischer Untersuchung, Elektromyographie sowie Röntgenbild.

40% der Patienten litten an einer Schulterpathologie, 60% an einer Pathologie in der HWS.

Der SAS-Test war in 38% positiv. Er erwies sich in der Unterscheidung von Schulter- und zervikaler Pathologie als äusserst zuverlässig (Sensitivität 89,2%; Spezifität 96,1%; positiver prädiktiver Wert 93,8%; negativer prädiktiver Wert 93,0%).

Steps of the swimmer arm-to-shoulder test: A Starting position (arm beside the torso with elbow flexion 90°), B Arm Abduction 90°, C Swimmer strike, D Shoulder touch with hypothenar eminence
Quelle: https://bmcmusculoskeletdisord.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12891-024-08013-9/figures/1

Fazit
Der sogenannte «Swimmer arm-to-shoulder» (SAS) Test, dargestellt in der Abbildung, erwies sich in der Differenzierung zwischen Schulter- und zervikalem Schmerz als äusserst zuverlässig. In der Praxis könnte dieser Test deshalb bei Schulterschmerzen als Screening-Test eingesetzt werden. Der Test wird vom Patienten selbst ausgeführt unter Beobachtung durch den Arzt (am besten macht der Arzt den Test selbst vor). Bei diesem Test werden verschiedene kombinierte Bewegungen ausgeführt, welche einige der Kennmuskeln beanspruchen: Rotatorenmanschetten-Muskulatur, insbesondere Supraspinatus und auch Subscapularis, Deltoideus. Wie bei jeder Evaluation eines neuen Testes bedarf es der Bestätigung durch andere Zentren.

Zur Studie
Prof. Dr. Beat A. Michel
Zürich