Die IgG4 assoziierte Erkrankung kann auch die Herzkranzgefässe befallen

IgG4-related disease as a variable-vessel vasculitis: A case series of 13 patients with medium-sized coronary artery involvement

Katz G et al. Semin Arthritis Rheum 2023;60:152184

Die IgG4 assoziierte Erkrankung ist eine Autoimmunopathie charakterisiert durch plasmazellreiches, entzündliches, fibrosierendes Gewebe in verschiedenen Organsystemen. Typischerweise exprimieren die Plasmazellen IgG4. Typische Manifestationen sind eine Beteiligung der Speichel-/Tränendrüsen, eine Lungenbeteiligung, eine autoimmune Pankreatitis oder sklerosierende Cholangitis, eine retroperitoneale Fibrose und auch eine mögliche Beteiligung der Gefässe. Die typischen Gefässmanifestationen sind eine Vaskulitis/Perivaskulitis der Aorta und eine Kleingefässbeteiligung im Sinne einer obliterativen Phlebitis. Über einen Befall von Gefässen mit mittlerem Kaliber (sogenannte medium-vessels) ist wenig bekannt.

In dieser retrospektiven Fallstudie aus einer grossen Kohorte aus Boston von 361 Patienten mit IgG4 assoziierter Erkrankung fand sich bei 13 (4%) Patienten (alles Männer, im Durchschnitt 61 Jahre alt) eine entzündliche Beteiligung der Koronararterien. Von diesen 13 Patienten hatten nur 4 klinische Symptome wie zum Beispiel Angina pectoris. Klinisch hatten jedoch 5 dieser Patienten im Verlauf einen Myokardinfarkt und 2 eine ischämische Kardiomyopathie.

Die Diagnose einer Beteiligung der Koronargefässe wurde radiologisch gestellt (CT, MRI oder PET/CT). Die typischen Befunde an den Koronargefässen waren eine Verdickung der Gefässwand und/oder des perivaskulären Gewebes (11 von 13 Patienten), Stenosen (9 von 13 Patienten), Verkalkungen (9 von 13 Patienten) und/oder aneurysmatische Gefässerweiterungen (8 von 13 Patienten).

Bei 11 von 13 Patienten waren diffus alle 3 Hauptkoronargefässe betroffen.

Kommentar
Diese Studie aus Boston zeigt auf, dass neben der Beteiligung der Aorta im Sinne einer Aortitis/Periaortitis bei der IgG4 assoziierten Erkrankung auch die Koronararterien als Gefässe mittleren Kalibers (medium size vessels) von der Entzündung betroffen sein können. Typischerweise als echte Vaskulitis oder noch häufiger als Perivaskulitis mit nicht selten aneurysmatischen Gefässerweiterungen, welche bei der normalen KHK nicht typisch sind. Limitierend an dieser Fallstudie ist jedoch die Tatsache, dass die Daten retrospektiv erfasst wurden und die Diagnosen aus den zur Verfügung stehenden Untersuchungen (CT-Angiografie, MRI und PET/CT) gestellt wurden. Interessant wäre eine prospektive Untersuchung mit gezielter Suche nach einer Koronargefässbeteilung bei allen Patienten mit IgG4 assoziierter Erkrankung mit den sensitivsten bildegebenden Methoden (MRI und PET/CT). Allenfalls würde sich noch eine höhere Rate von Patienten mit einer Beteiligung der Koronargefässe zeigen.

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Dr. Thomas Langenegger
Baar

Stabilisierungsübungen für Kreuzschmerzen

Dose-response relationship and effect modifier of stabilisation exercises in nonspecific low back pain: a project-wide individual patient data re-analysis on 1483 intervention participants

Niederer D et al. Pain 2023; 164(5): 1087

1483 Patienten (41-jährig) mit Kreuzschmerzen führten Stabilisierungsübungen durch (3 Wochen unter Anleitung, 9 Wochen selbst). Sowohl nach 3 und 12 Wochen sowie 6 Monaten ergaben sich kleine, aber signifikant grössere Symptomreduktionen verglichen mit der Kontrollgruppe. Eine längere Dauer der Intervention führte zu einer stärkeren Symptomreduzierung. Eine höhere Trainingshäufigkeit war günstig: ein Training mehr pro Woche führte zu einer mittleren Abnahme der Schmerzintensität um 0.93 Punkte. Die Arbeitsunfähigkeitstage wurden vermindert, während die Arbeitsunfähigkeit per se keine Signifikanz erreichte. Eine zusätzliche Störungskomponente bei den Stabilisierungstrainings war besser als zusätzliches Stretching.

Eine längere Interventionsdauer, das Hinzufügen einer Störungskomponente und die höhere Frequenz von Trainings mit Stabilisierungsübungen führten bei Patienten mit Kreuzschmerzen zu einer Verbesserung der Symptome und der Arbeitsunfähigkeitstage. Diese Daten geben uns Rückhalt, die Wichtigkeit der Stabilisierungsübungen zur Behandlung von Kreuzschmerzen sowohl bezüglich Dauer wie Intensität (mindestens zwei Mal pro Woche) zu betonten und die Patienten dazu zu motivieren.

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KD Dr. Marcel Weber
Zürich

Kosten-Nutzen Analyse von Biologikareduktion bei RA

Cost–utility analysis of tapering strategies of biologicals in rheumatoid arthritis patients in the Netherlands

Van Esveld L et al. Ann Rheum Dis 2023: online ahead of print

Bei gut eingestellter RA wird ein Tapering der biologischen DMARDs empfohlen. Die Autoren haben hier untersucht, welche Richtschnur hierfür gelten könnte. Dazu wurden drei Dosis-Reduktionsmodelle untersucht, unter anderem im Hinblick auf eine langfristige Kosten-Effektivität und den Effekt auf sogenannte QALYs (quality-adjusted life-years) und jeweils verglichen mit dem Szenario eines Beibehaltens der üblichen Dosierung.

Die drei Strategien waren 50% Dosisreduktion (tapering), Absetzen oder 50%-ige Dosisreduktion gefolgt vom Stopp des Biologikums.

Simulationsmodelle wurden auf 30 Jahre hochgerechnet und ergaben den „besten“ Wert für eine errechnete Kosten-Effizienz-Ratio für das 50%-ige Dosisreduktionsschema (tapering). Die Autoren schlussfolgern aus den weiteren Simulationsdaten, dass der 50%-Reduktions-Ansatz die höchste Kostenersparnis pro verlorenem QALY erlaubt.

Kommentar
Diese Analyse bietet einen roten Faden für die Patientendiskussion zur Reduktion von Biologika bei RA. Bei aller Kostenersparnis ist dies nicht ohne Einschränkungen in der Lebensqualität zu erreichen. Dennoch ist es mehr als „wert“, über eine Biologikadosisreduktion zu diskutieren. Im wahren Leben kann man ja ausserhalb eines Simulationsmodelles Anpassungen durchführen.

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Prof. Dr. Sabine Adler
Aarau

Nutzen von zusätzlichen Biologics

Estimating Patient-Specific Relative Benefit of Adding Biologics to Conventional Rheumatoid Arthritis Treatment

Luo Y et al. JAMA Netw Open 2023; 6: e2321398

Was bringt ein Biologic als Zusatz zur konventionellen Behandlung der rheumatoiden Arthritis?

Metaanalyse von individuellen Patientendaten (3’790 Patienten). Der Zusatz von Certolizumab (TNF-Inhibitor) zur konventionellen RA-Therapie erhöhte die Wahrscheinlichkeit, eine niedrige Krankheitsaktivität zu erreichen. Individuelle Patienten erfuhren unterschiedliche Nutzen, abhängig von initialen Faktoren bei zusätzlicher Therapie mit dem Biologic. Einen grossen Nutzen ergab sich für jene Patienten, bei welchen beim Start des Biologic die Wahrscheinlichkeit, eine niedrige Krankheitsaktivität zu erreichen, über 65% betrug. Der Nutzen war jedoch gering, wenn diese Wahrscheinlichkeit initial unter 20% lag oder bei Patienten, bei welchen die objektivierbare Entzündung fehlte oder niedrig war, obwohl die entsprechenden Patienten subjektiv eine starke Krankheitslast angaben.

Fazit
Anhand von fünf grossen Trials mit Certolizumab wurde hier untersucht, ob und wann individuelle Patienten von einer zusätzlichen Behandlung mit einem Biologic (Certolizumab als Beispiel) profitieren. Die meisten Patienten tun dies in der Tat, vor allem dann, wenn eine deutliche Entzündungsaktivität bei Start der Therapie vorliegt. Bei geringerer Entzündungsaktivität sowie bei Patienten, bei welchen ein Aktivitätsindex zwar hoch ist, dies jedoch auf Grund der subjektiven Wahrnehmung und nicht aufgrund der objektivierbaren Entzündung, zeigt sich nur ein limitierter Nutzen.

Die Konsequenz für die Praxis ist wie immer: individuelle Beurteilung von Krankheitsaktivität und Gesamtsituation und Auswahl der entsprechenden erfolgverheissenden Behandlung, mitunter manchmal auch rein symptomatisch.

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Prof. Dr. Beat A. Michel
Zürich