EULAR-Empfehlungen 2022 für die Therapie der RA

EULAR recommendations for the management of rheumatoid arthritis with synthetic and biological disease-modifying antirheumatic drugs: 2022 update

Smolen JS et al. Ann Rheum Dis 2022:online ahead of print

Die letzten Empfehlungen der EULAR zur Therapie der rheumatoiden Arthritis (RA) von 2019 erforderten eine Überarbeitung angesichts der inzwischen neuen Daten zur Wirksamkeit und vor allem auch Sicherheit verschiedener Medikamente.

Insgesamt setzen sich die Empfehlungen aus 5 allgemeinen Prinzipien sowie 11 Empfehlungen zur Therapie zusammen.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Initial MTX plus GC
  • Bei ungenügender Wirksamkeit nach 3 bis 6 Monaten sowie schlechten Prognosefaktoren (anti CCP-Antikörper, hohe Krankheitsaktivität, frühe Erosionen)

Einsatz eines bDMARD (biological) oder eines JAK-Inhibitors bei negativen Risikofaktoren (Risiko bei JAK-Hemmer: Alter über 65 Jahre, Vorliegen von kardiovaskulären Risikofaktoren, Risikofaktoren für Malignität und thromboembolische Ereignisse).

  • Anhaltende Remission: In diesem Falle können die Basistherapeutika reduziert werden, hingegen sollte kein Absetzen erfolgen.

Fazit
Das Ziel der Behandlung ist die Remission beziehungsweise eine tiefe Krankheitsaktivität in der Behandlung der RA. Nach wie vor bildet MTX die initiale Basis der Behandlung, als Alternativen Leflunomid und Sulfasalazin. Um möglichst eine Remission zu erreichen und keine Schäden zu riskieren, empfiehlt sich ein rasches Erweitern der Therapie bei prognostisch schlechten Faktoren auf ein Biologic beziehungsweise, falls keine Risikofaktoren bezüglich kardiovaskulärer, neoplastischer und thromboembolischer Natur vorliegen, der Einsatz eines JAK-Hemmers.

Bei den JAK-Hemmern wird nicht unterschieden betreffend Selektivität, da in Bezug auf die Sicherheit keine genügenden Daten vorliegen. Alle JAK-Hemmer werden betreffend Risikoprofil gleich behandelt, da nur für Tofacitinib entsprechende Daten vorliegen (Oral Surveillance Study).

Bei Resistenz auf ein erstes bDMARD oder einen JAK-Hemmer soll ein Wechsel erfolgen, wobei die Wahl offen bleibt. Bei Unverträglichkeit von MTX und anderen konventionellen DMARDs als Begleitmedikation bieten IL-6-Inhibitoren und tsDMARDs (targeted synthetic) einen Vorteil.

Zur Studie
Prof. Dr. Beat A. Michel
Zürich

Ist die adhäsive Kapsulitis eine genetische Erkrankung?

Genome-Wide Association Study of Adhesive Capsulitis Suggests Significant Genetic Risk Factors

Kulm S. et al. J Bone Joint Surg Am 2022:online ahead of print

Eine genomweite Assoziationsstudie (GWAS) verglich 2‘142 Patienten mit adhäsiver Kapsulitis vs. 289‘563 Patienten der britischen Datenbank. Drei signifikante Loci wurden identifiziert: WNT7B, MAU2 und POU1F1. Die OR für das gesamte genetische Risiko betrug 5.81 (somit war die Häufigkeit fast 6x höher), verglichen mit 1.70 für Hypothyreose und 4.23 für Diabetes. Die Identifizierung von WNT7B, POU1F1 und MAU2 stimmt mit früheren Beobachtungen überein, welche den Wnt-Signalweg für Zellproliferation, die im Pathomechanismus der adhäsiven Kapsulitis wohl eine Rolle spielt, verantwortlich gemacht haben.

Mit Interesse verfolge ich diese neuen Forschungsresultate und erhoffe mir pathogenetischen Aufschluss und bessere Behandlungsmöglichkeiten für die Patienten. Der Abgleich mit meiner klinischen Erfahrung lässt mich für einmal im Stich: meine Patientinnen (häufiger Frauen) erwähnten keine familiäre Häufung, und die Familienanamnese bei allen 45 Patientinnen, welche ich vor 30 Jahren zusammenstellte, war bland. Sind wir mit «big data» und dem Wnt-Signalweg wirklich auf der richtigen Spur?

Zur Studie
KD Dr. Marcel Weber
Zürich

App-basierte Kontrollen bei RA Patienten

Smartphone-Assisted Patient-Initiated Care Versus Usual Care in Patients With Rheumatoid Arthritis and Low Disease Activity: A Randomized Controlled Trial

Seppen B. et al. Arthritis Rheum 2022;74:1737

Bei prognostizierter fachärztlicher Unterversorgung von Patienten mit rheumatischen Erkrankungen ist die Frage nach einer Alternative für die persönlichen Folgekonsultationen entstanden. Die Autoren aus den Niederlanden haben hierzu mittels einer App untersucht, ob bei RA Patienten in stabiler, niedrig-aktiver Krankheitssituation über die letzten 6 Monate eine Unterlegenheit bezüglich der Krankheitsaktivität/Versorgung der Patienten besteht.

Insgesamt waren 103 Patienten 1:1 entweder in eine App-unterstützte Versorgungsgruppe, gefolgt von einer Konsultation nach 12 Monaten oder in eine Gruppe mit «üblicher» Betreuung verteilt worden, letztlich mit Visitenanzahl und einem DAS18-ESR als Vergleichswert. Ähnliches galt für die spezialisierten Pflegevisiten. Zudem wurden Fragebögen beantwortet in Bezug auf mögliche Aktivitäten, die zu einer sogenannten „flare-visit“ und einer möglichen Änderung der unterliegenden Therapie führten. Nach 12 Monaten zeigte sich eine signifikant reduzierte Anzahl an ärztlichen wie auch pflegerischen «live» Konsultationen bei vergleichbarem DAS28-ESR. Die App-basierte Versorgung war derjenigen des üblichen Vorgehens mit vorgeplanten Visiten nicht unterlegen.

Da zwischen den Visiten kein DAS28-ESR erhoben wurde, kann zu einer interkurrenten Aktivität in der App-Gruppe nicht sicher Stellung genommen werden. Aufgrund der Fragebögen und der Telefoninterviews wird jedoch am ehesten von einer niedrigen oder fehlenden zwischenzeitlichen Aktivität ausgegangen.

Fazit für die Praxis
Sowohl die Zeiten der Pandemie, als auch die Reduktion an praktizierenden Rheumatologen wie auch zukünftige Patientenwünsche haben sicher zur Idee dieser Studie beigetragen.

Letztlich wird ein Smartphone allein sicher nie einen Facharzt komplett ersetzen können, scheint aber zumindest bei glaubhaft stabiler Krankheitsaktivität eine (eventuell auch nur passagere) Alternative darzustellen. Problematisch erscheint eher die Installierung/Wartung und Pflege einer solchen App inclusive deren dauerhafte Finanzierung. Hierauf geht diese Studie aktuell nicht ein. Auch konnte (noch?) keine Kosteneffizienz gezeigt werden.

Positiv erstaunlich finde ich, dass es hierfür eine randomisiert-kontrollierte Studie mit sehr guter Publikation gibt!

Zur Studie
Prof. Dr. Sabine Adler
Aarau

Long COVID: Tipps für den Rheumatologen

Long COVID and rheumatology: Clinical, diagnostic, and therapeutic implications

Calabrese C. et al. Best Practice & Research Clinical Rheumatology 2022:online ahead of print

10% bis 30% der überlebenden COVID-19-Erkrankten entwickeln persistierende Symptome, bezeichnet als «Long COVID». Die häufigsten Symptome umfassen chronische Fatigue mit Leistungseinschränkung, neurokognitive Dysfunktion, Atemprobleme und Schmerzen. Diese Symptome münden in einem Verlust an Lebensqualität und Produktivität.

Dieser Übersichtsartikel liefert Fakten zu Long COVID sowie Empfehlungen für den Rheumatologen in der Betreuung dieser Patienten.

Fatigue:
Meist verstärkt durch bereits milden Stress. Suche nach Anämie beziehungsweise Dekonditionierung wichtig.

Schmerzen:
Myalgien und Arthralgien werden oft berichtet, eigentliche Arthritis ist jedoch ungewöhnlich. Diese Schmerzzustände entsprechen keiner Entzündung, sondern viel mehr einer Form der zentralen Sensitisierung. Entzündliche Symptome wie Fieber, Gewichtsverlust oder Organdysfunktion sprechen eher gegen Long COVID.

Neurokognitive Beschwerden:
Oft als «Hirnnebel» bezeichnet, entsprechen die Störungen eher stärkeren Stimmungsschwankungen, welche durch zusätzliche Symptome wie Schmerzen verstärkt werden. Vorhandene Daten sprechen gegen eine Progredienz, sondern eher für eine allmähliche Verbesserung. Weitere Symptome betreffen Konzentrationsstörungen, verminderte Reaktionszeit, gestörtes Gedächtnis sowie Lichtempfindlichkeit. Eine Hypothyreose sollte wie eine autonome Dysfunktion ausgeschlossen werden, eine neuropsychiatrische Untersuchung wird empfohlen.

Atembeschwerden:
Bekannt sind Kurzatmigkeit, Dyspnoe bei Belastung. Eine pulmonale Abklärung wird empfohlen.

Therapie:
Keine spezifische Therapie bekannt. Eine auf das Individuum konzentrierte Behandlung wird empfohlen inklusive neuropsychologischer Rehabilitation (dabei wird auf Richtlinien des US-Department of Veterans verwiesen für die Betreuung von Kriegsveteranen mit unerklärter Fatigue, Schmerzen und neurokognitiven Beschwerden).

Fazit:
Long COVID stellt ein häufiges Problem dar, dessen Ursache weiterhin unklar bleibt. Ähnlich wie bei anderen viralen Erkrankungen mit unerklärten postinfektiösen Syndromen stehen chronische Fatigue und neurokognitive Dysfunktionen ganz im Vordergrund. In Analogie zu dem uns Rheumatologen bestens bekannten Chronic Fatigue Syndrom oder der Fibromyalgie bedarf die Behandlung einer individuellen angepassten Strategie mit Zuwendung, gradueller Zunahme der Belastung mit Setzung von Zwischenzielen. Eine gewisse Hoffnung besteht, indem die Mehrheit der Long COVID-Patienten im Verlauf der Zeit eine Besserung erfahren.

Zur Studie
Prof. Dr. Beat A. Michel
Zürich