Chronischer Schmerz und Behandlung mit Antidepressiva

Antidepressants for Pain Management in Adults with Chronic Pain: A Network Meta-Analysis

Birkinshaw H. et al. The Cochrane database of systematic reviews, vol. 5, no. 5, 2023.

In dieser Studie wurde in einer Cochrane Netzwerk-Metaanalyse (NMA) eine Bewertung der vergleichenden Wirksamkeit und Sicherheit von Antidepressiva bei Erwachsenen mit chronischen Schmerzen (außer Kopfschmerzen) untersucht.

In die Studie eingeschlossen wurden «randomized controlled trials» (RCTs), welche Antidepressiva bei chronischen Schmerzen im Vergleich zu einer beliebigen Vergleichsgruppe untersuchten. Handelte es sich bei der Vergleichsgruppe um Placebo, ein anderes Medikament, ein anderes Antidepressivum oder dasselbe Antidepressivum in unterschiedlichen Dosierungen, musste die Studie doppelblind sein. Eingeschlossen wurden auch RCTs mit aktiven Komparatoren, welche nicht doppelt verblindet werden konnten (z.B. Psychotherapie); diese wurden jedoch mit höherem Risiko für Verzerrungen eingestuft. Die primären Endpunkte waren erhebliche (50 %) Schmerzlinderung, Schmerzintensität, Stimmung und unerwünschte Ereignisse. Sekundäre Endpunkte waren mäßige Schmerzlinderung (30 %), körperliche Funktion, Schlaf, Lebensqualität, Patient Global Impression of Change (PGIC), schwerwiegende unerwünschte Ereignisse und Rücktritt. Insgesamt wurden 176 Studien mit insgesamt 28.664 Teilnehmern einbezogen. Die Mehrzahl der Studien war placebokontrolliert (83 Studien) und parallelarmig (141 Studien). Die am häufigsten untersuchten Schmerzzustände waren Fibromyalgie (59 Studien), neuropathische Schmerzen (49 Studien) und Schmerzen des Bewegungsapparats (40 Studien). Die durchschnittliche Dauer der RCTs betrug 10 Wochen.

In Bezug auf die Wirksamkeit (primäre und sekundäre Endpunkte) war Duloxetin durchweg das am besten bewertete Antidepressivum mit mäßiger bis hoher Sicherheit. In den Duloxetin-Studien war die Standarddosis bei den meisten Ergebnissen ebenso wirksam wie die hohe Dosis. Milnacipran wurde häufig als das zweitwirksamste Antidepressivum eingestuft, obwohl die Beweissicherheit geringer war als bei Duloxetin. Für die Wirksamkeit und Sicherheit anderer Antidepressiva bei chronischen Schmerzen lagen keine ausreichenden Erkenntnisse vor, um belastbare Schlussfolgerungen zu ziehen.

Kommentar
Chronische Schmerzen sind bei Erwachsenen weit verbreitet und wirken sich oft nachteilig auf die körperliche Leistungsfähigkeit, das Wohlbefinden und die Lebensqualität aus. Eine Netzwerk-Metaanalyse (NMA), in der alle Antidepressiva für alle chronischen Schmerzzustände untersucht wurden, lag bisher nicht vor. Da die eingeschlossenen RCTs Menschen mit psychiatrischen Diagnosen ausschlossen, gibt die aktuelle Studie keinen Aufschluss über das Ansprechen auf Antidepressiva bei Menschen mit chronischen Schmerzen und zBsp. Depression. Ebenso gibt es derzeit keine zuverlässigen Belege für die langfristige Wirksamkeit und Sicherheit von Antidepressiva bei chronischen Schmerzen.  Aufgrund der aktuellen Analyse ist Duloxetin bei Patientin mit chronischen Schmerzen ohne psychiatrische Komorbidität erste Wahl.

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Dr. Christian Marx
Zürich

Januskinasehemmer zur Therapie des Morbus Still

JAK inhibitors in difficult-to-treat adult-onset Still's disease and systemic-onset juvenile idiopathic arthritis

Gillard L. et al. Rheumatology 2023;62:1594

In dieser retrospektiven Studie aus Frankreich wurde die Wirksamkeit einer Therapie mit einem Januskinasehemmer bei Patienten mit therapierefraktärem Morbus Still untersucht. 9 Patienten, 2 mit systemic-onset JIA (eigentlicher M. Still) und 7 mit adultem Morbus Still wurden im Verlauf mit einem Januskinasehemmer behandelt. Alle 9 Patienten sprachen ungenügend auf Glukokortikoide in Kombination mit konventionellen Basismedikamenten und Biologika an. 7 der 9 Patienten hatten auch einen IL-6 Hemmer und alle 9 einen IL-1 Hemmer. 5 Patienten erhielten Baricitinib, 2 Ruxolitinib, 2 Tofacitinib und 1 Upadacitinib. Eine Kombination mit Glukokortikoiden und konventionellen Basismedikamenten war möglich, 2 Patienten hatten zusätzlich den IL-1 Hemmer Anakinra. Die inital zum Teil sehr hohen Glukokortikoiddosen konnten im Verlauf deutlich reduziert werden.

Bei 2 der 9 behandelten konnte eine komplette Remission erreicht werden, bei 3 eine partielle Remission und 4 sprachen ungenügend auf die Therapie an. Als Nebenwirkungen traten bei 1 Patienten eine organisierende Pneumonie, bei 1 Patienten eine Varizella-Zoster Infektion auf.

Kommentar
In dieser retrospektiven Studie bei 9 Patienten mit therapierefraktärem Morbus Still trotz bisherigen Therapien mit zum Teil hochdosierten Glukokortikoiden, konventionellen Basistherapeutika und Biologika (alle 9 hatten einen IL-1 Hemmer und 7 einen IL-6 Hemmer) konnte mit einem Januskinasehemmer bei 2 Patienten ein komplette und bei 3 eine partielle Remission erreicht werden.

Prospektive, kontrollierte Studien zur Behandlung eines schweren, therapierefraktären Morbus Still wären wünschenswert, da viele offene Fragen dazu bestehen:  Gibt es evtl. Unterschiede zwischen den verschiedenen Januskinasehemmern? Braucht es eine Kombination mit konventionellen Basismedikamenten oder gar Biologika (insbesondere IL-1 Hemmern)?  Eine Kombination mit IL-1 Hemmern scheint mir am erfolgversprechendsten, da Januskinasehemmer IL-1 nicht wesentlich beeinflussen, jedoch IL-6 deutlich mehr.

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Dr. Thomas Langenegger
Baar

Risikofaktoren für Uveitis bei SpA

Factors Associated With Adverse Outcomes in Uveitis Related to Spondyloarthritis: Development of an Outcome Score (SpA-U)

Sieiro Santos C. et al. J Clin Rheumatol 2023;29:132

Bei Patienten mit Spondylarthritis (SpA) wurden 197 Uveitis-Episoden beobachtet, 62 (31%) schwere Schübe, 42 (21%) moderate und 93 (47%) milde, basierend auf dem Outcome-Score. Der Outcome-Score SpA-U wurde definiert durch bestkorrigierte Sehschärfe, Vorderkammerentzündung, Makulaödem, Entzündung der Hinterkammer, Gesamtbeurteilung und Therapieresistenz. Die Ergebnisse des linearen Regressionsmodells zeigten, dass die Uveitis-Aktivität bei Patienten mit Rauchen in der Anamnese (β=0.34), axialer und peripherer Beteiligung (β=0.43), ankylosierender Spondylitis Activity Score >2.1 (β=0.45), positivem HLA-B27 (β=0.29), weiblichem Geschlecht (β=0.19), C-reaktiver Proteinerhöhung (β=0.002) und bilateraler Augenbeteiligung (β=0.32) stärker war. Gleichzeitig war eine kürzere Krankheitsentwicklung (β=-0.02) mit einer weniger schweren Uveitis-Aktivität verbunden.

Die Uveitis ist eine häufige Begleiterkrankung bei SpA. Die Autoren konstruierten aufgrund des Schweregrades der Uveitis einen Outcome-Score und konnten verschiedene Faktoren ausfindig machen, welche eine Uveitis begünstigen. Zusammengefasst sind es freilich genau jene Faktoren, welche mit einem eher ungünstigen Verlauf der SpA assoziiert sind. Bei schwer verlaufender SpA ist also jedenfalls mit einer Uveitis zu rechnen. TNFa-Hemmer können die Häufigkeit und den Schweregrad der Uveitis vermindern und sollten in solchen Situationen erwogen werden, bevor die Uveitis auftritt.

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KD Dr. Marcel Weber
Zürich

Nichtradiologische axiale Spondyloarthritis: Progression unter Secukinumab

Two-year imaging outcomes from a phase 3 randomized trial of secukinumab in patients with non-radiographic axial spondyloarthritis

Braun J. et al. Arthritis Res & Ther 2023:online ahead of print

Dies ist ein Followup der PREVENT-Study (randomisiert Secukinumab 150 mg versus Placebo, nach 52 Wochen wurde auch Placebo durch Secukinumab ersetzt) betreffend radiologische Progression bei ursprünglich 555 Patienten mit nicht- radiologischer axialer Spodyloarthritis.

Die Beobachtungsdauer lief über 104 Wochen, fast 80% der Patienten blieben solange in der Studie. Nur minimale Veränderungen wurden im totalen radiologischen sakroiliakalen Gelenksscore wie auch im modifizierten AS-Spine Score festgestellt. Nur etwa 3% der Patienten in beiden Gruppen entwickelten neu einen positiven NY-Score der SI-Gelenke. Secukinumab führte zu einer deutlichen Reduktion der Knochenmarksödeme im SI-Gelenk, was über 104 Wochen erhalten blieb. Die axiale Entzündung im MRI war bereits zu Beginn sehr tief in beiden Gruppen und blieb auch im Verlauf tief.

Fazit
In dieser Population mit nicht-radiologischer axialer Spondyloarthritis zeigte sich unter Secukinumab (bereits ab Beginn bzw. in der Placebogruppe ab Woche 53) bei den meisten Patienten keine radiologische Progression in den SI-Gelenken wie auch an der Wirbelsäule. Secukinumab verminderte die sakroiliakale Gelenksentzündung, was über zwei Jahre anhielt.

Unter Secukinumab zeigt sich die radiologische Progression bei ursprünglich nicht- radiologischer axialer Spondyloarthritis nur minimal über zwei Jahre. Interessant wäre eine Vergleichs-Placebogruppe über dieselbe Zeit, was aber aus ethischen Aspekten kaum möglich ist.

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Prof. Dr. Beat A. Michel
Zürich