Wertigkeit der klinischen Untersuchung bei cervikaler Radikulopathie

Diagnostic accuracy of upper limb neurodynamic tests in the diagnosis of cervical radiculopathy

Grondin, F. et al. Musculoskelet. Sci. Pract. 2021;55:102427

Neurodynamische Tests der oberen Gliedmaßen (ULNT) werden zur Diagnose von neuropathischen Erkrankungen wie der zervikalen Radikulopathie (CR) eingesetzt. In der Studie wurde die diagnostische Genauigkeit einzelner und kombinierter neurodynamischer Tests der oberen Gliedmaßen (ULNT) untersucht. Von den 109 konsekutiven Patienten mit Verdacht auf CR erfüllten 85 Patienten die Einschlusskriterien. Bei 27 eingeschlossenen Teilnehmern (31,7 %) wurde eine CR diagnostiziert (Durchschnittsalter 43,9 Jahre; Neck Disability Index 38,16 %). Die ULNT-Tests wurden von einem blinden Prüfer durchgeführt und mit einem CR-Referenzstandard aus klinischer Diagnose (Schmerz, Dermatom bezogene neurogene Symptome, veränderte MER, Schwäche Kennmuskulatur) und dazu passendem MRI Befund verglichen. Die Referenzdiagnose wurde durch einen erfahrenen Neurochirurgen gestellt.

Im Allgemeinen waren die Einzeltests besser in der Lage, eine CR zu erkennen als auszuschließen. Der ULNT3 (N. ulnaris) zeigte mit einem positiven likely hood ratio (LR+) von 5.91 unter den einzelnen ULNT den höchsten prädiktiven Wert. Sind aber 3 von 4 ULNT-Tests positiv, kann der LR+ auf LR+ = 12,89 (95%CI: 3,10-53,62) gesteigert werden. Wenn keiner der Tests positiv war, konnte die CR mit einem negativen likely hood ratio (LR-) = 0,08 (95%CI: 0,01-0,56) ausgeschlossen werden.

Fazit:
ULNT sind die Nervendehnungstests der oberen Extremität – analog zum Lasège und Retro-Lasège der unteren Extremität.
In der Praxis kann die Wichtigkeit, durch Anamnese und klinische Untersuchung eine hohe Vortestwahrscheinlichkeit zu erreichen, nicht genügend betont werden. Ein LR+ von 12.89, wenn 3 von 4 ULNT Tests positiv waren, ist sehr hoch, sodass eine hohe post-Test Wahrscheinlichkeit resultiert und die Diagnose gesichert werden kann. Ebenso interessant für die Praxis ist auch, dass bei negativen ULNT’s die Diagnose praktisch ausgeschlossen werden kann.
Hier werden die einzelnen ULNT dargestellt: https://crafta.org/artikel/art6.pdf

Zur Studie
Dr. Christian Marx
Zürich

Auch nach 20 Jahren bleiben HWS-Distorsions-Beschwerden ein Rätsel

1 Min.

The Long-term Impact of Whiplash Injuries on Patient Symptoms and the Associated Degenerative Changes Detected Using MRI: A Prospective 20-year Follow-up Study Comparing Patients with Whiplash-associated Disorders with Asymptomatic Subjects

2021 20.09.2021 13.09.2021 06.09.2021 30.08.2021 Bild der Woche Studien 23.08.2021 16.08.2021 09.08.2021 02.08.2021 26.07.2021 19.07.2021 12.07.2021 05.07.2021 28.06.2021 21.06.2021 14.06.2021 07.06.2021 31.05.2021 24.05.2021 17.05.2021 10.05.2021 03.05.2021 26.04.2021 19.04.2021 12.04.2021 05.04.2021 29.03.2021 22.03.2021 15.03.2021 08.03.2021 01.03.2021 22.02.2021 15.02.2021 08.02.2021 01.02.2021 25.01.2021 18.01.2021 11.01.2021 04.01.2021 2020 2019 2018 2017 Special Focus Flash Anmeldung SGR-Fortbildungs-Credits l Vorgehensweise Home > Weekly > 2021 > 30.08.2021 > Studien Weekly | 30. August 2021 Wertigkeit der klinischen Untersuchung bei cervikaler Radikulopathie Diagnostic accuracy of upper limb neurodynamic tests in the diagnosis of cervical radiculopathy Grondin, F. et al. Musculoskelet. Sci. Pract. 2021;55:102427 Neurodynamische Tests der oberen Gliedmaßen (ULNT) werden zur Diagnose von neuropathischen Erkrankungen wie der zervikalen Radikulopathie (CR) eingesetzt. In der Studie wurde die diagnostische Genauigkeit einzelner und kombinierter neurodynamischer Tests der oberen Gliedmaßen (ULNT) untersucht. Von den 109 konsekutiven Patienten mit Verdacht auf CR erfüllten 85 Patienten die Einschlusskriterien. Bei 27 eingeschlossenen Teilnehmern (31,7 %) wurde eine CR diagnostiziert (Durchschnittsalter 43,9 Jahre; Neck Disability Index 38,16 %). Die ULNT-Tests wurden von einem blinden Prüfer durchgeführt und mit einem CR-Referenzstandard aus klinischer Diagnose (Schmerz, Dermatom bezogene neurogene Symptome, veränderte MER, Schwäche Kennmuskulatur) und dazu passendem MRI Befund verglichen. Die Referenzdiagnose wurde durch einen erfahrenen Neurochirurgen gestellt. Im Allgemeinen waren die Einzeltests besser in der Lage, eine CR zu erkennen als auszuschließen. Der ULNT3 (N. ulnaris) zeigte mit einem positiven likely hood ratio (LR+) von 5.91 unter den einzelnen ULNT den höchsten prädiktiven Wert. Sind aber 3 von 4 ULNT-Tests positiv, kann der LR+ auf LR+ = 12,89 (95%CI: 3,10-53,62) gesteigert werden. Wenn keiner der Tests positiv war, konnte die CR mit einem negativen likely hood ratio (LR-) = 0,08 (95%CI: 0,01-0,56) ausgeschlossen werden. Fazit: ULNT sind die Nervendehnungstests der oberen Extremität – analog zum Lasège und Retro-Lasège der unteren Extremität. In der Praxis kann die Wichtigkeit, durch Anamnese und klinische Untersuchung eine hohe Vortestwahrscheinlichkeit zu erreichen, nicht genügend betont werden. Ein LR+ von 12.89, wenn 3 von 4 ULNT Tests positiv waren, ist sehr hoch, sodass eine hohe post-Test Wahrscheinlichkeit resultiert und die Diagnose gesichert werden kann. Ebenso interessant für die Praxis ist auch, dass bei negativen ULNT’s die Diagnose praktisch ausgeschlossen werden kann. Hier werden die einzelnen ULNT dargestellt: https://crafta.org/artikel/art6.pdf Christian Marx Autor: Dr. med. Christian Marx Uster » zur Studie Auch nach 20 Jahren bleiben HWS-Distorsions-Beschwerden ein Rätsel The Long-term Impact of Whiplash Injuries on Patient Symptoms and the Associated Degenerative Changes Detected Using MRI: A Prospective 20-year Follow-up Study Comparing Patients with Whiplash-associated Disorders with Asymptomatic Subjects Watanabe K. et al. Spine 2021;46:710

Eine 20-Jahres-Nachkontrolle von 508 Patienten mit Whiplash-associated Disorders (WAD), welche 1993 bis 1996 an einer Vergleichsstudie mit 497 asymptomatischen Freiwilligen teilnahmen, konnte mit 75 WAD-Patienten und 181 Kontrollpersonen <60 Jahre durchgeführt werden.

Die Prävalenz von Schultersteifigkeit (72.0% vs. 45.9%), Kopfweh (24.0% vs. 12.2%) und Armschmerz (13.3% vs. 3.9%) war signifikant grösser bei WAD-Patienten verglichen mit Kontrollen. Die Multiregressionsanalyse ergab ein relatives Risiko (odds ratio, OR) von 3.36 für Schultersteifigkeit, 2.39 für Kopfweh und 3.82 für Armschmerzen. Obschon die initialen MR-Befunde bei WAD-Patienten mehr degenerative Zeichen aufwiesen, waren die aktuellen MR-Befunde nach 20 Jahren vergleichbar in beiden Gruppen. Es fand sich keine Korrelation zwischen Nackenschmerzen und MR-Progression in beiden Gruppen.

Patienten mit Beschwerden nach HWS-Distorsion haben auch nach 20 Jahren mehr Beschwerden als Vergleichspersonen. Der Versuch, eine Erklärung in MR-Befunden zu suchen, misslang auch in dieser Studie. Somit fehlt eine objektive Abstützung und die Meinungen zu diesem Symptomenkomplex werden weiterhin divergieren.

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Ist die Fibromyalgie doch eine immunologische Erkrankung?

Passive transfer of fibromyalgia symptoms from patients to mice Goebel A et al. J Clin Invest 2021;131(13):e144201.

Goebel A et al, J Clin Invest 2021;131(13)

In dieser interessanten tierexperimentellen Arbeit wurde eine Lösung mit aufbereiteten und gereinigten Immunglobulinen G (IgG) von gesunden Probanden und von Patienten mit Fibromyalgie Mäusen intraperitoneal verabreicht.

Mäuse, bei welchen die IgG-Lösung von Fibromyalgiepatienten injiziert wurde, entwickelten eine Hypersensitivität auf Schmerz- und Kältestimulationsreize im Gegensatz zu Mäusen, welche die IgG-Lösung von gesunden Probanden erhielten. Daneben zeigten diese Mäuse eine verminderte motorische Aktivität und Kraftverminderung. Die humanen IgG von Fibromyalgie Patienten lagerten sich im Bereich der Spinalganglien an den Neuronen, Gliazellen und Myelinscheide ab ohne begleitende entzündliche Infiltrate. Eine Spezifizierung, welche IgG von Fibromyalgiepatienten diesen Effekt verursachen, gelang jedoch nicht.

Die Autoren dieser tierexperimentellen Studie folgern, dass die Fibromyalgie eine IgG (Antikörper) vermittelte Erkrankung sein könnte mit direkten, Antikörper vermittelten Effekten auf die afferenten Nervenfasern im Spinalganglion ohne entzündliches Korrelat. Dadurch kommt es zu einer sensorischen Hypersensitivität durch Sensitivierung peripherer Neurone. Wenn diese Hypothese stimmt, wäre ein möglicher Therapienansatz die Neutralisierung dieser Antikörper z.B. mittels einer Immunglobulintherapie oder einer B- Zelldepletion (Rituximab).
Ich bin gespannt, ob sich aus den Erkenntnissen dieser experimentellen Arbeit tatsächlich in Zukunft neue Aspekte zur Pathogenese der Fibromyalgie und evtl. auch neue therapeutische Ansätze ergeben.

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Dr. Thomas Langenegger
Baar

Tenosynovitis: Hoch sensitiv für eine rheumatoide Arthritis

Tenosynovitis has a high sensitivity for early ACPA-positive and ACPA-negative RA: a large cross-sectional MRI Study

Matthijssen X. M. E. et al. Ann Rheum Dis 2021;80:974

Eine klinische Tenosynovitis wird bei RA häufig gesehen. Das MRI zeigt oft geringfügige Tenosynovitiden, insbesondere im Bereich der Kleingelenke, welche klinisch nicht ausgemacht werden können. Die vorliegende Studie untersuchte den Stellenwert der Tenosynovitis im MRI an Händen und Füssen und ihre Bedeutung in Bezug auf die rheumatoide Arthritis.

Konsekutive Patienten mit Früharthritis (n=1211) wurden mittels MRI von Händen und Füssen untersucht. Eingeschlossen wurden Patienten mit RA (250 ACPA-positiv, 282 ACPA-negativ) PsA 88, SpA 24, reaktive Arthritis 30, sowie selbstlimitierende undifferenzierte Arthritis 76.
Die Sensitivität einer Tenosynovitis bzw. deren Vorhandensein bei RA betrug 85% (88% bei ACPA-positiven, 82% ACPA-negativen Patienten). Die Sensitivität für eine Tenosynovitis bei PsA betrug 65%, bei SpA 53%, bei reaktiver Arthritis 36%, bei undifferenzierter Arthritis 42%.

Fazit:
Bei Vorliegen einer Tenosynovtis im MRI bei Früharthritis (sowohl ACPA-positiv wie auch negativ) führt am ehesten zur Diagnose einer RA. Allerdings müssen sicher auch die anderen Diagnosen, insbesondere die PsA und die SpA im Einzelfall berücksichtigt werden, da auch diese eine recht hohe Sensitivität zeigen.
Selbstverständlich braucht es nicht ein MRI in jedem Fall zur Frühdiagnostik. Das Befallsmuster, die Art der Synovitis sowie zusätzliche Merkmale der verschiedenen Erkrankungen erlauben im Allgemeinen schon früh eine klare Diagnose. Diese Studie zeigt indessen, dass die RA nebst den Gelenken fast ebenso häufig die Sehnenscheiden befällt.

Zur Studie
Prof. Dr. Beat A. Michel
Zürich