Artikel zur Behandlung der Riesenzellarteriitis

Autoren

Prof. Dr. Beat A. Michel
Zürich
Dr. Claudine A. Blum
Aarau
PD Dr. Thomas Neumann
St. Gallen

Special Focus on Tocilizumab (Teil 3)

PD Dr. Thomas Neumann
St. Gallen

Extracraniale Riesenzellarteriitis mit kompliziertem Verlauf

Ein 55-jähriger zuvor gesunder Mann wurde notärztlich aufgrund thorakaler und abdomineller Schmerzen untersucht. Zwei Wochen zuvor war plötzlich ein Frösteln und Nachtschweiss aufgetreten, Fieber wurde nicht gemessen. Es bestanden proximal betonte Schmerzen in beiden Oberarmen und den Hüften sowie Schmerzen in den Hand- und mehreren Fingergelenken. Kopfschmerzen, Kauclaudicatio, Halsschmerzen, Sehstörungen lagen nicht vor. Wegen einer systemischen Entzündung ohne Fokus war bereits antibiotisch mit Ciprofloxacin ohne Erfolg behandelt worden.

Die Laborbefunde zeigten: CRP 140mg/l (<8mg/l), BSR 80mm/h (<12mm/h), Hämoglobin 120 g/l (>140g/l); Procalcitonin, Kreatinin, AST, ALT, CK, LDH, ANA, ANCA, Rheumafaktoren (IgM, IgA) und CCP-Antikörper normal. Der klinische Status bestätigte eine Arthritis in mehreren MCP- und PIP-Gelenken. Die sonographische Untersuchung der Schultergelenke zeigte eine Bursitis subdeltoidea beidseits ohne Tenosynovialitis der Bizepssehne. Eine Duplexsonographie der Arteria temporalis war beidseitig unauffällig. Bei unauffälligem Thorax CT und normaler Abdomensonographie erfolgten ein MRI und eine MR-Angiographie der Aorta. Darin stellten sich eine zirkuläre Kontrastmittelaufnahme in die Wand der infrarenalen Aorta bis proximal in die Arteria iliaca communis beidseitig sowie ein leicht ektatischer Truncus coeliacus mit wandständiger Kontrastmittelaufnahme dar (Bild 1 und 2).

MRI der abdominellen Aorta,m T1 mit KM, (A) coronar und (B) transversal (mit freundlicher Genehmigung von Dr. Olaf Chan-Hi Kim, Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin, Kantonsspital St. Gallen)

Es wurden die Diagnosen einer extracranialen Riesenzellarteriitis (RZA) mit Beteiligung der infrarenalen Aorta und des Truncus coelicacus sowie einer Polymyalgia rheumatica (PMR) gestellt. Die Therapie erfolgte mit Prednisolon (1mg/kgKG) in absteigender Dosierung. Klinisch und laborchemisch war ein gutes Ansprechen vorhanden.

Vier Monate nach der Erstdiagnose (Prednisolondosis 7mg) kam es zu einer ähnlichen Symptomatik wie zu Beginn der Erkrankung mit erneuter systemischer Entzündung (CRP 45mg/l, BSR 52mm/h). In MRI und MR-Angiographie der Aorta war die Ausprägung der Entzündung unverändert zur Voruntersuchung. In dieser bildgebend refraktären Therapiesituation wurde eine Behandlung mit Tocilizumab (8mg/kgKG monatlich) begonnen und die Prednisolondosis erhöht (1mg/kgKG). Klinisch und laborchemisch zeigte sich erneut ein gutes Ansprechen. Prednisolon wurde nach 6 Monaten beendet. Ein Jahr nach Beginn von Tocilizumab bestand nach klinischen Kriterien eine Remission, das MRI und die MR-Angiographie zeigte jedoch weiterhin eine minimale Kontrastmittelaufnahme der infrarenalen Aorta und des Truncus coeliacus. Wir bewerteten diesen Befund als inkomplette Remission und behandelten weiter mit Tocilizumab.

Diese Kasuistik weist auf mehrere klinisch relevante Herausforderungen in der Diagnostik und Therapie der RZA hin. Die Erkrankung kann sich in unterschiedlicher Ausprägung an den cranialen oder extracranialen Gefässen oder an beiden Lokalisationen manifestieren (Dejaco C et al.). Entsprechend variieren die Symptome oder überlappen sich, was bei der Auswahl der Diagnostik zu berücksichtigen ist: für die craniale RZA haben die Duplexsonographie und die Histologie der Arteria temporalis vergleichbare Sensitivitäten und Spezifitäten (Luqmani R et al.). Die extracraniale RZA kann im MRI/MR-Angiographie oder im PET/CT diagnostiziert werden. In dem hier vorgestellten Fall sind die ACR-Kriterien (1990) der RZA nicht erfüllt (2/5), weil diese neben dem Alter und der systemischen Entzündung nur Symptome der cranialen Variante der Erkrankung enthalten. Die Auswahl der Therapie basiert auf individuellen Entscheidungen, die das Ausmass der Erkrankung, den Verlauf und die Komorbiditäten berücksichtigen. Neben der Standardtherapie mit Prednisolon, in einigen Situationen ergänzt durch Methotrexat, ist neuerdings eine Blockade des IL-6 Signalweges durch Tocilizumab (Actemra®) möglich (Stone J et al). Die Kriterien für die Beurteilung des Ansprechens basieren auf dem klinischen Befund, Laborparametern und bildgebenden Befunden.
Wir haben mit einer Steroidmonotherapie begonnen und beobachteten ein gutes klinisches und laborchemisches Ansprechen. Nach vier Monaten zeigte sich in der Situation des klinischen Rezidivs ein unveränderter Befund im MRI, weshalb eine Therapieänderung notwendig war. Wir haben uns für eine Behandlung mit Tocilizumab entschieden. In der GiACTA-Studie konnte gezeigt werden, dass auch extracraniale Manifestationen der RZA auf die Therapie ansprechen (Stone J et al). Nach einem Jahr zeigt sich bei klinischer Remission ohne Steroide im MRI zwar eine deutliche Besserung aber keine Normalisierung des Befundes an der Aorta. Wir setzten die Behandlung im zweiten Jahr fort und werden vor einer neuen Therapieentscheidung ein weiteres MRI durchführen.

Referenzen

  • Dejaco C et al., The spectrum of giant cell arteritis and polymyalgia rheumatica: revisiting the concept of the disease, Rheumatology (Oxford). 2017;56(4):506-515.
  • Hunder GG, Bloch DA, Michel BA et al. The American College of Rheumatology 1990 criteria for the classification of giant cell arteritis. Arthritis Rheum 1990;33:1122-1128.
  • Hunder GG, Bloch DA, Michel BA et al. The American College of Rheumatology 1990 criteria for the classification of giant cell arteritis. Arthritis Rheum 1990;33:1122-1128.
  • Luqmani R et al., The Role of Ultrasound Compared to Biopsy of Temporal Arteries in the Diagnosis and Treatment of Giant Cell Arteritis (TABUL): a diagnostic accuracy and cost-effectiveness study, Health Technology Assessment, Volume 20 Issue 90, 2016
PD Dr. Thomas Neumann
St. Gallen

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