Artikel zur Behandlung der Riesenzellarteriitis
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Special Focus on Tocilizumab (Teil 2)
Vor- und Nachteile der Glukokortikoidtherapie:
Nebenwirkungsprofil bei Riesenzellenarteriitis und Polymyalgia rheumatic
Seit den 1950er – Jahren werden Glukokortikoide bei verschiedenen Krankheitsbildern erfolgreich zur Therapie eingesetzt.[1]Fast ebensolange sind die Nebenwirkungen einer Glukokortikoidtherapie, sei es kurzfristig oder als Dauertherapie, bekannt.[2]
Obwohl wir uns in der Ära der Biologicals befinden, sind Glukokortikoide nach wie vor bei vielen Erkrankungen, namentlich der Riesenzellenarteriitis und der Polymyalgia rheumatica, wichtige und wirksame Initialtherapien. Zudem werden sie weiterhin als Erhaltungstherapien eingesetzt, insbesondere falls unter Methotrexat Nebenwirkungen auftreten oder dessen Wirkung unzureichend war. Als erstes Biologikum zeigte sich nun bei Tocilizumab, einem IL-6-Blocker, eine Wirksamkeit in der Therapie der Riesenzellenarteriitis und Polymyalgia rheumatica.[3]
Die Vorteile einer Glukokortikoidtherapie sind insbesondere die Kosteneffizienz, einfache Verfügbarkeit, gute Verträglichkeit und das häufig rasche Ansprechen der Grunderkrankung nach Gabe von adäquat hohen Dosen von 1 mg/kg KG.[4]
Die Veränderungen des Metabolismus unter Glukokortikoidtherapie sind einfach herzuleiten aus der evolutionsbedingten Herkunft der endogenen Glukokortikoide, entsprechend dem Fight- or -Flight -Stressmodell.[5, 6] Unsere Ahnen mussten innert kürzester Zeit in lebensbedrohlichen Situationen grosse Mengen an Energie bereitstellen, damit der Körper für die drohende Gefahr oder den Angriff gewappnet war. Dies bedeutete das Pausieren aller temporär nicht notwendigen Mechanismen, wie Verdauung, Wachstum, Reproduktion, eine Steigerung der verfügbaren Energie, der Sauerstoff-Aufnahme im Muskel, eine Reduktion der Schmerzwahrnehmung sowie eine Veränderung der Immunabwehr. Zu dieser Stressantwort gehört jedoch auch die anschliessende Ruhephase, in der die Energiespeicher wieder aufgefüllt werden. Entsprechend zeigen sich bei Langzeit-Glukokortikoidmedikation häufig ähnliche Symptome wie bei chronischem Stress: Übergewicht, chronische Müdigkeit bis zur Erschöpfung, Unfruchtbarkeit, Depressionen, erhöhtem Risiko für Diabetes und Herz-Kreislauferkrankungen, bis hin zum Vollbild des Cushing-Syndroms. In Tabelle 1 sind die potentiellen Nebenwirkungen einer langfristigen Glukokortikoidtherapie dargestellt, geordnet nach Organsystemen.
Die wichtigste kurzfristig zu erwartende Nebenwirkung ist die Hyperglykämie, für welche bei vielen Patienten über 50 Jahren zusätzlich das prädisponierende Risikoprofil, das metabolische Syndrom, vorliegt, jedoch nicht bei allen.[7, 8,9] Bei einer hochdosierten Glukokortikoidtherapie, also > 10-20 mg Prednisolon-Äquivalent, ist jedoch bereits bei einer Therapiedauer von < 4 Wochen mit möglichen Langzeit-Nebenwirkungen zu rechnen,[10] was bis zum Vollbild eines Cushing-Syndroms gehen kann. Wichtige und häufige Nebenwirkungen sind die Entwicklung oder Verschlechterung eines Diabetes und einer Hypertonie. Eine Gewichtszunahme unter Glukokortikoiden, insbesondere bei Langzeittherapie, ist häufig. Diese ist einerseits durch interstitielle und subkutane Wassereinlagerungen bedingt, welche einerseits zu peripheren Oedemen, aber auch zur Verschlechterung oder gar Dekompensation einer vorbestehenden Herzinsuffizienz führen kann.[11] Andererseits kann die Gewichtszunahme durch die appetitanregenden Wirkung der Glukokortikoide bedingt sein, welche von Patienten als Kohlenhydrathunger oder Heisshungerattacken beschrieben wird.[12] Dementsprechend sollten die kardiovaskulären Risikofaktoren respektive die Faktoren des metabolischen Syndroms optimal behandelt werden. Namentlich umfasst dies die konsequente Behandlung von arterieller Hypertonie, Dyslipidämie und Diabetes bis zum Erreichen der Zielwerte. Zudem sollten die Patienten Unterstützung zum Halten des Gewichts erhalten, bei vorbestehendem Übergewicht zur Gewichtsreduktion. Da die Umsetzung von Lifestyle-Empfehlungen in der Regel schwierig ist und bei diesen Patienten zusätzlich durch den häufig medikamentös gesteigerten Appetit erschwert wird, ist bereits das Halten des Ausgangsgewichtes ein wichtiger Erfolg.
Als Folge der exogenen Glukokortikoidtherapie stellt der Körper die endogene Cortisolproduktion ein. Diese tertiäre Nebennieren-Insuffizienz aufgrund des fehlenden hypothalamischen Stimulus sollte in Akutsituationen sowie beim Absetzen einer Glukokortikoidtherapie (in der Regel über 3 Wochen >10 mg/d, jedoch selten auch darunter möglich) berücksichtigt werden, da die Hypothalamo-Hypophysen-Nebennierenachse in einem Anteil der Patienten auf Dauer inaktiviert ist und nicht mehr auf physiologische Bedürfnisse mit einer Cortisolantwort reagieren kann. Bei Akutsituationen, wie akuten schweren Allgemeinerkrankungen, Unfall oder Operation sollte präemptiv eine Stressprophylaxe erfolgen.[9] Deshalb ist eine Patientenaufklärung über eine potentielle Nebenniereninsuffizienz und die Notwendigkeit der Stressprophylaxe wichtig. Entsprechende Patienten-Informationsbroschüren können bei der Schweizerischen Gesellschaft für Endokrinologie/Diabetologie bezogen werden.[13] Wenn nach Absetzen der Glukokortikoide eine klinisch manifeste Nebenniereninsuffizienz besteht, muss eine physiologische Substitutionstherapie mit Hydrocortison erfolgen. Eine vorgängige Testung mittels Synacthentest ist sinnvoll, sollte jedoch erst bei einer Dosis < 7.5 mg täglich erfolgen und in Absprache mit einem Spezialisten durchgeführt und interpretiert werden.
Die Glukokortikoid-induzierte Osteoporose ist unter den wichtigsten Nebenwirkungen aufzuführen. Da der grösste Knochendichteverlust in den ersten 6 Monaten der Glukokortikoidexposition stattfindet und um 2-3% im ersten Behandlungsjahr beträgt, sollte eine Erhebung des Frakturrisikos bei allen Patienten stattfinden, bei denen eine Glukokortikoidtherapie über 3 Monate oder länger vorgesehen ist, unabhängig von der Dosis der Glukokortikoide. Eine optimale Calciumzufuhr, präferentiell über die Ernährung, sowie eine optimale 25-OH-Vitamin D-Versorgung (Spiegel ? 75 nmoL/L), sollten sichergestellt werden. Bei postmenopausalen Frauen und Männern > 50 Jahren mit geplanter Glukokortikoidtherapie ? 7.5 mg Prednison-Äquivalent über 3 Monate sollte der direkte Beginn mit einer antiresorptiven Therapie erwogen werden, ausserdem bei Vorliegen von osteoporotischen Frakturen, einem T-score ? -2.5 lumbal oder femoral in der Knochendichtemessung, sowie bei allen Patienten ? 70 Jahren.[14] Da bei der Riesenzellenarteriitis und der Polymyalgia rheumatica nicht nur während mehreren Wochen hochdosiert Glukokortikoide notwendig sind, sondern häufig über längere Zeit eine Glukokortikoid-Erhaltungstherapie notwendig ist, ist die Prävention der beschriebenen Kurz- und Langzeitnebenwirkungen für diese Patienten eminent wichtig. Gleichzeitig sollte die Glukokortikoidtherapie in der kleinstmöglichen Dosis und so kurz wie möglich erfolgen.
Tabelle 1. Langfristige Glukokortikoid-Nebenwirkungen, geordnet nach Organsystemen Nach Ross EJ, Linch DC, Lancet 1982, Sep 18;2(8299):646-9, und Nieman LK, Eur J Endocrinol. 2015 Oct;173(4):M33-8.
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