Neue ACR Richtlinien zur Therapie der ANCA assoziierten Vaskulitis

2021 American College of Rheumatology/Vasculitis Foundation Guideline for the Management of Antineutrophil Cytoplasmic Antibody-Associated Vasculitis

SA, Chung. et al. Arthritis Rheum 2021;73:1366

Empfehlungen auf einen Blick für Granulomatose mit Polyangiitis (GPA) und Mikroskopische Polyangiitis (MPA):
Wichtig bei Durchsicht der Empfehlungen ist, dass diese «conditionally», also bedingt empfohlen sind.

Induktionstherapie schwere Erkrankung:

    1. Aktive schwere GPA/MPA: Behandlung mit Rituximab (RTX) > Cyclophosphamid (CYC) für Remissionsinduktion.
    2. Mit aktiver Glomerulonephritis keine routinemässige zusätzliche Plasmaaustausch-Therapie zur Remissionsinduktionstherapie.
    3. Aktive schwere GPA/MPA: reduzierte Steroiddosis gegenüber einer Standardsteroiddosis für Remissionsinduktion empfohlen.

Induktionstherapie nicht-schwere Erkrankung:

    1. Aktive nicht-schwere GPA/MPA: initiale Behandlung mittels Methotrexat (MTX) > CYC oder RTX.
    2. Aktive nicht-schwere GPA/MPA: initiale Behandlung mittels Methotrexat (MTX) + Glucocorticoide (GC) > GC allein.
    3. Aktive nicht-schwere GPA/MPA: initiale Behandlung mittels Methotrexat (MTX) + GC > Cotrimoxazol + GC.

Erhaltungstherapie:

  1. Schwere GPA/MPA in Remission: nach RTX oder CYC Weiterbehandlung mit RTX > MTX oder Azathioprin (AZA) > Mycophenolate mofetil (MMF) or Leflunomid (LEF).
  2. GPA/MPA in Remission nach RTX Weiterführen der RTX Behandlung nach geplantem Intervall und nach individuell angepasstem Schema entsprechend ANCA Titer – Verlauf oder CD19 B-Zellen Zahl.
  3. GPA/MPA in Remission: nach Weiterbehandlung mit MTX oder AZA > Cotrimoxazol.
  4. GPA/MPA in Remission: keine additive Gabe von Cotrimoxazol zur Remissionserhaltung zu RTX, AZA, MTX etc.
  5. Patienten mit GPA/MPA mit schwerem Rezidiv und nicht unter RTX: Remissonsinduktion mit RTX oder CYC empfohlen

Empfehlungen zur Rezidivbehandlung, Therapieresistenz und Zusatzfragestellungen sind in der Publikation nachzulesen: gratis download auf https://www.rheumatology.org

Fazit:
In der Praxis ist eine Induktionstherapie für die ANCA-Vakulitis ohne schweren Krankheitsverlauf eine Behandlung mittels Glucocorticoide (GC) und Methotrexat (MTX) erste Wahl. Ob bei schweren Krankheitsverläufen die Induktionstherapie mit Rituximab (RTX) oder Cyclophosphamid (CYC) erfolgt, sind bei vergleichbarer Wirksamkeit oft auch Kofaktoren auschlaggebend (Art und Schweregrad der Organmanifestationen, Toxizität, Krankheitsverlauf, Komorbiditäten). Ein bekanntes Problem ist eine hohe kumulative Steroiddosis mit den bekannten Nebenwirkungen (Osteoporose, Diabetes, Katarakt, Myopathie etc.). Avacopan, ein selektiver C5aR-Inhibitor, zeigte in der ADVOCATE Studie (2020 publiziert) einen möglicherweise neuen Ansatz in der Remissonserhaltung bei niedrigerer kumulativer Steroiddosis. Die Studie wurde in den aktuellen ACR Guidelines nicht berücksichtigt, da zum Zeitpunkt der Publikation noch keine FDA-Bewilligung vorlag.

Zur Studie
Dr. Christian Marx
Zürich

Anteriore Uveitis bei SpA unter Secukinumab häufiger als unter TNF-Hemmern

Anterior uveitis in patients with spondyloarthritis treated with secukinumab or tumour necrosis factor inhibitors in routine care: does the choice of biological therapy matter?

Lindström U. et al. Ann Rheum Dis 2021:online

Dem Auftreten einer anterioren Uveitis (AU) nach Therapiebeginn einer Spondylarthritis (SpA) wurde im schwedischen Register nachgegangen. Bei 4851 Therapiestarts (4395 TNF-Hemmer; 456 Secukinumab [SEC]) betrug die Rate einer AU-Diagnose pro 100 Patientenjahre 6.8 für SEC (HRs für das erste Auftreten einer AU vs. Adalimumab 2.31), 2.9 für Infliximab (HRs vs. Adalimumab 0.99), 4.0 für Adalimumab und 7.5 für Etanercept (HRs vs. Adalimumab 1.82).

Diese Registerstudie bestätigt die Erfahrung, dass eine AU unter Secukinumab eher auftritt als unter Adalimumab oder Infliximab, während die Daten zu Etanercept gegenüber den genannten TNF-Hemmern schon immer weniger günstig waren. Leider besitzen wir kaum prognostische Faktoren, welche die Entwicklung einer AU voraussagen, so dass unser Therapieentscheid aufgrund dieser Daten nicht wesentlich beeinflusst wird. Bei anamnestischer AU ist das Risiko eines Wieder-Aufflackerns erhöht, so dass ich in diesem Fall einen monoklonalen TNF-Hemmer bevorzugen würde.

Zur Studie
KD Dr. Marcel Weber
Zürich

Operation bei Spinalkanalstenose

Decompression with or without Fusion in Degenerative Lumbar Spondylolisthesis

Austevoll I.M., N Engl J Med 2021;385:526

In dieser open-label non-inferiority Studie aus Norwegen wurden Patienten mit symptomatischer Spinalkanalstenose (mit Claudicatio spinalis oder mit radikulärer Symptomatik), welche auf eine konservative Therapie während > 3 Monaten nicht angesprochen hatten, bezüglich 2 Operationsmodalitäten untersucht. Die Patienten mussten in der Bildgebung ein Spinalkanalstenose mit gleichzeitiger Spondylolisthesis von > 3 mm in diesem Segment aufweisen.

267 Patienten mit diesen Einschlusskriterien wurden in 2 Gruppen randomisiert. 134 Patienten erhielten eine alleinige Dekompression im symptomatischen Segment, 133 eine Dekompression mit Spondylodese.
Die alleinige Dekompression war der Dekompression mit Spondylodese nach 2 Jahren Beobachtung sowohl im primären Studienendpunkt (> 30 % Verbesserung im Oswestry Disability Score = ODS) als auch in den sekundären Studienendpunkten (Zürich Claudicatio Questionnaire, Schmerzskalareduktion (NRS 0-10) für Rückenschmerzen und radikuläre Schmerzen, Lebensqualität im EUROQol etc.) nicht unterlegen. Die durchschnittliche Hospitalisationsdauer betrug 3.3 versus 5 Tage, der Blutverlust war höher und eine Duraleakage häufiger bei den Patienten mit einer kombinierten Operation (Dekompression und Spondylodese). Postoperative Komplikationen waren in beiden Gruppen, ausser den genannten, nicht unterschiedlich. Insgesamt erreichten in beiden Gruppen 75 % der operierten Patienten den primären Studienendpunkt (> 30 % Verbesserung im ODS).

Diese Studie zeigt auf, dass bei symptomatischer Spinalkanalstenose mit gleichzeitiger Spondylolisthesis als Zeichen der Segmentinstabilität, welche auf konservative Therapie nicht bessert, die alleinige Dekompression einer grösseren und invasiveren kombinierten Operation mit Dekompression und Spondylodese nicht unterlegen ist.

Zur Studie
Dr. Thomas Langenegger
Baar

Tofacitinib bei Spondylitis ankylosans

Tofacitinib for the treatment of ankylosing spondylitis: a phase III, randomised, double-blind, placebo-controlled study

Deodhar A et al. Ann Rheum Dis 2021;80:1004

Randomisierte doppelblinde placebo-kontrollierte Phase III-Studie zur Beurteilung der Wirksamkeit und Sicherheit von Tofacitinib in der Behandlung der aktiven Spondylitis ankylosans bei Erwachsenen.

Tofacitinib 5mg 2x pro Tag per os (n=133) wurde gegenüber Placebo (n=136) geprüft. Nach 16 Wochen erhielten auch die Placebo-Patienten Tofacitinib bis zur Woche 48.

Nach 16 Wochen zeigte sich bezüglich Wirksamkeit betreffend ASAS20 eine deutliche Überlegenheit von Tofacitinib gegenüber Placebo (56% versus 30%), was sich auch im ASAS40 bestätigte (41% versus 13%). Die Wirkung von Tofacitinib stellte sich bereits innert 2 Wochen ein, die Wirksamkeit nach 16 Wochen hielt bis zur Woche 48 an. Die Placebo-Patienten, welche nach Woche 16 Tofacitinib erhielten, erfuhren einen ähnlichen Verlauf.

Bezüglich Sicherheit fanden sich keine neuen Signale, insbesondere ereigneten sich unter Tofacitinib keine bedeutenden kardiovaskulären Ereignisse, keine Thromboembolien oder opportunistische Infektionen.

Fazit:
Diese Phase III Studie bestätigt eine frühere Phase II Studie bezüglich guter Wirksamkeit von Tofacitinib bei erwachsenen Spondylitis ankylosans Patienten. Tofacitinib erwies sich als rasch wirksam, die Verbesserungen zeigten sich als nachhaltig ohne neue Signale betreffend Sicherheit. Damit dürfte sich Tofacitinib als JAK-Hemmer in die Therapieoptionen der Spondylitis ankylosans einreihen und damit die Optionen der Therapie erweitern.

Zur Studie
Prof. Dr. Beat A. Michel
Zürich