Acetaminophen und Nebenwirkungen im Alter > 65 Jahren

Incidence of side effects associated with acetaminophen in people aged 65 years or more: a prospective cohort study using data from the Clinical Practice Research Datalink

Kaur J. et al. Arthritis Care & Research, Accepted Article, first published Nov 24, 2024

Diese Kohortenstudie hat das Nebenwirkungsprofil des am meisten empfohlenen Analgetikums Acetaminophen/Paracetamol über einen Zeitraum von 20 Jahren in der Gruppe von Menschen über 65 Jahren analysiert. Bei über 180.000 Menschen mit Paracetamoleinnahme fanden sich im Vergleich zu keiner Paracetamoleinnahme erhöhte Raten an gastrointestinalen Ulzera inklusive deren Blutungskomplikationen, Herzinsuffizienz, arterieller Hypertonie und chronischer Nierenerkrankung. Die Hazard Ratio lag mit bis zu 1.29 im deutlich erhöhten Bereich, wenn auch in Anbetracht der Überschrift mässigem Risikobereich.

Die Autoren beschreiben diese Risiken als sehr ähnlich im Vergleich zur Gabe von NSAR, da auch Paracetamol einen (Cyclooxygenase) COX-Effekt auslösen kann und empfehlen eine gutüberdachte Therapieentscheidung für Paracetamol in dieser Altersgruppe, insbesondere vor dem Hintergrund der meist milden analgetischen Potenz.

Kommentar
Es ist wichtig, diese Komplikationen nicht zu negieren und auch an einen COX-Effekt von Paracetamol zu denken. Andererseits erscheint das Risiko vertretbar, da im klinischen Alltag teilweise tiefe Dosierungen auch in Kombination mit tief dosierten Opioden wie Tramadol einen guten Effekt zeigen können. Schliesslich bleibt ja die Frage nach einer potenten Analgesie mit geringen Nebenwirkungen ansonsten im Raum stehen – ohne eine suffiziente Lösung anbieten zu können, wenn NSAR aufgrund meist eingeschränkter Nierenfunktion oder Opiate/Opioide aufgrund z.B. Abhängigkeiten und Sturzrisiko ebenfalls keine gute Alternative darstellen.

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Prof. Dr. Sabine Adler
Aarau

Pedikelschrauben bei Osteoporose

Preoperative Hounsfield Units Predict Pedicle Screw Loosening in Osteoporotic Patients Following Short Segment Lumbar Fusion

Narayanan R. et al. Spine 2024;49:1722

Diese retrospektive Studie untersuchte 119 Patienten (59 Jahre, 81 % Weisse, 65 % Nichtraucher), welche eine posteriore lumbale Dekompression und Fusion (PLDF, 63 %) oder transforaminale lumbale interkorporale Fusion (TLIF, 37 %) wegen degenerativer Erkrankungen erhalten hatten (durchschnittlich 1.63 Niveaus fusioniert). Eine Osteoporose (Hounsfield Units [HU] ≤110 in der präoperativen CT an L1) wurde bei 38 % diagnostiziert, mit einer mittleren HU in der osteoporotischen Gruppe von 88 vs. 169 bei nicht-osteoporotischen Patienten. Obwohl sie älter waren, zeigten osteoporotische im Vergleich zu nicht-osteoporotischen Patienten keine erhöhten 90-Tage-Wiedereinweisungen, Komplikationen oder Revisionen, auch nicht vermehrte Cage-Absenkungen. Jedoch wurde in der osteoporotischen Gruppe eine signifikant höhere Inzidenz von Schraubenlockerungen sowie eine geringere Verbesserung der VAS-Werte (Visual Analog Scale) für Rückenschmerzen festgestellt.

Die Befürchtung, dass Pedikelschrauben bei Osteoporose eher locker werden, wird durch diese Daten erhärtet, ohne dass sich daraus im Kurzzeitverlauf (1-5 Jahre) wesentliche klinische Konsequenzen ergeben, mit Ausnahme von stärkeren Rückenschmerzen. Die Patient Reported Outcomes (PROMs) und die Aufwendungen zeigen keine signifikanten Unterschiede. Interessant wäre zu beobachten, ob sich dies im Langzeitverlauf (beispielsweise über 10 Jahre) ändern wird.

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KD Dr. Marcel Weber
Zürich

Erhöhen Protonenpumpenhemmer die Inzidenz einer intestinalen Manifestation beim Behçet?

Association Between Proton Pump Inhibitors and the Risk of Intestinal Behçet Disease

Murakami K. et al. J Rheumatol 2024;51(12):1193

Es gibt Hinweise, dass der regelmässige Gebrauch von Protonenpumpenhemmern (PPI) das Risiko für eine entzündliche Darmerkrankung (IBD) erhöhen und deren Verlauf negativ beeinflussen (Xia B et al., Gastroenterology 2021).

In dieser retrospektiven Kohortenstudie aus Japan wurde untersucht, ob Protonenpumpenhemmer einen negativen Einfluss auf den Darm bei Patienten mit M. Behçet haben. Von 194 Patienten hatten 25.3% Patienten im Beobachtungsverlauf von 12 Jahren eine intestinale Manifestation. Behçet Patienten, welche regelmässig PPI einnahmen, hatten eine signifikant höhere Inzidenz einer intestinalen Manifestation des M. Behçet (Hazard Ratio 2.48, CI 95% 1.38-4.47). Dabei zeigte sich eine Korrelation mit der PPI Dosis und der Länge der Einnahme.

Kommentar
Diese Studie zeigt eine signifikante Assoziation zwischen dem Gebrauch von Protonenpumpenhemmern und der Inzidenz einer intestinalen Manifestation bei Patienten mit M. Behçet. Dieser Effekt ist auch bei Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (IBD) bekannt. Es wird vermutet, dass die PPIs das intestinale Mikrobiom verändern und die Dysbiose eine immunologische Entzündung induzieren, resp. eine bestehende Entzündung verschlechtern kann.

Leider wurde in dieser Studie nicht die Art und Schwere der intestinalen Behçet Manifestationen beschrieben.

Für mich gilt die Schlussfolgerung aus dieser Studie, dass bei Patienten mit IBDs oder einem M. Behçet Protonenpumpenhemmer nur sehr zurückhaltend eingesetzt werden sollten.

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Dr. Thomas Langenegger
Baar

Kniearthrose: Akupressur gegen Schmerz und Schlafstörung

The effect of self-administered acupressure on pain severity and sleep quality of patients with knee osteoarthritis: a randomized controlled trial

Shourabi E. et al. BMC Complementary Medicine and Therapies 2024;24:412

126 Patienten wurden drei Gruppen zugeteilt: Akupressur (durch Patienten selbst durchgeführt), Scheinbehandlung und Kontrollen. Die Akupressur erfolgte an vordefinierten Stellen während einer Minute täglich über einen Monat. Die Patienten mit Scheinbehandlung erhielten andere Akupressurpunkte als die Verum-Gruppe.

Patienten in der Verum-Akupressurgruppe zeigten eine signifikante Abnahme der Schmerzen (VAS) über Zeit sowie eine Abnahme der Schlafstörung.

Fazit
Selbstausgeführte Akupressur könnte eine hilfreiche Zusatzmassnahme darstellen in der Verbesserung der Schlafstörung und der Schmerzen bei Kniearthrose. Voraussetzung ist eine Instruktion des genauen Prozedere für die Patienten. Offen bleibt, ob der Effekt auch über einen Monat hinaus anhalten würde.

Zur Studie
Prof. Dr. Beat A. Michel
Zürich