Wie häufig sind Revisionsoperationen bei implantierten Bandscheibenprothesen lumbal?

Lumbar Total Disk Replacement Device Removals and Revisions Performed During a 20-Year Experience with 2141 Patients

Guyer R et al. Spine 2024;49(10):671

In dieser retrospektiven Studie aus den USA wurde die Rate an Revisionsoperationen bei Patienten, bei denen eine künstliche Bandscheibe lumbal implantiert wurde, untersucht. Es wurden 2141 Patienten analysiert mit einem Durchschnittsalter von 40.5 Jahren. Bei 1769 erfolgte die alleinige Prothesenimplantation ohne gleichzeitige Fusionsoperation und bei 372 eine Hybrid-Operation. Bei 1785 Patienten wurde eine, bei 340 zwei und bei 16 drei Bandscheiben implantiert. Die durchschnittliche Beobachtungszeit postoperativ betrug 78.6 Monate (Bandbreite 0-251).

Von den 2141 Patienten erfolgte im Verlauf bei 27 (1.26%) eine Revisionsoperation (24 Entfernung der Bandscheibenprothese und bei 3 eine Revision ohne Entfernung der Prothese). Bei 12 Patienten war die Ursache eine Dislokation der Bandscheibenprothese, bei den anderen Patienten verschiedene Ursachen wie Infektion, Wirbelfraktur, persistierende starke Schmerzen, Fremdkörperreaktion. In 37% erfolgte die Revision und Bandscheibenentfernung innerhalb des ersten postoperativen Monats. Bei 40 % erfolgte die Prothesenentfernung bei Chirurgen mit weniger als 25 durchgeführten Bandscheibenersatz-Operationen.  In dieser Studie wurden keine Angaben zum Outcome der Bandscheibenersatzoperation gemacht!

Kommentar
In dieser Beobachtungsstudie bei Patienten, bei denen lumbal eine Bandscheibenprothese (bei den meisten Patienten (1769) ohne gleichzeitige Fusionsoperation) implantiert wurde, zeigte sich bei einer langen postoperativen Beobachtungszeit eine erstaunlich tiefe Zahl an Reoperationen zur Entfernung und/oder Ersatz der Prothese. Bei 37 % erfolgte die Prothesenentfernung im 1. postoperativen Monat, was auf einen operativen Fehler hinweist. Daneben zeigte sich ein Zusammenhang der Revisionsoperationen mit der Fallzahl der Chirurgen. Leider wurden in dieser Studie keine Outcomedaten erwähnt. In mehreren anderen Studien konnte jedoch ein vergleichbarer Effekt der Bandscheibenersatzoperation verglichen mit einer Fusionsoperation bei degenerativ bedingten Bandscheibenproblemen (Osteochondrosen/Spondylose) gezeigt werden.

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Dr. Thomas Langenegger
Baar

Mehr Grünflächen – weniger Osteoporose

Associations of residential greenness with bone mineral density and osteoporosis: the modifying effect of genetic susceptibility

Tan T. et al. Ann Rheum Dis 2024;83:669

Grünflächen wurden mit dem Normalized Difference Vegetation Index (NDVI) anhand von Satellitenbildern gemessen: 300 m (NDVI300 m), 500 m (NDVI500 m), 1000 m (NDVI1000 m) und 1500 m (NDVI1500 m). Jeder IQR-Anstieg im NDVI300m war mit einem Anstieg der geschätzten Knochenmineraldichte (eBMD) um 0.0007, einem um 6 % geringeren Risiko für prävalente Osteoporose (OR 0.94) und einem um 5 % geringeren Risiko für manifeste Osteoporose (HR 0.95) verbunden. Während des durchschnittlichen Beobachtungszeitraums von zwölf Jahren trat bei 9’307 von 391‘298 Personen eine neue manifeste Osteoporose auf. Die gemeinsamen Effekte von Greenness und dem Polygenic Risk Score (PRS) auf das Osteoporoserisiko zeigten ein klares Dosis-Wirkungs-Muster. Im Vergleich zu Personen, die einen niedrigen NDVI (wenig Grünflächen) und ein hohes genetisches Risiko hatten, wiesen diejenigen, welche einen hohen NDVI und ein niedriges genetisches Risiko hatten, ein um 56 % geringeres Osteoporoserisiko auf. Die primären Mediatoren in der Assoziation zwischen Grün und auftretender Osteoporose wurden als Schadstoff Stickstoffoxid (NO2) und Feinstaub (PM 2,5) identifiziert.

Mehr Grünflächen in Wohngebieten waren mit einer höheren Knochenmineraldichte und einem verringerten Risiko für Osteoporose verbunden. Mögliche Erklärungen sind vielfältig: grüne Gebiete ermöglichen mehr Bewegung, Personen in höheren sozialen Stellungen und mit besseren Ernährungsgewohnheiten leben häufiger in grünen Oasen, die Exposition gegenüber den Schadstoffen Stickstoffoxid (NO2) und Feinstaub (PM 2,5) ist in unbegrünten Gegenden höher, und der Anteil Raucher mag in grüner Umgebung geringer sein. Die Beobachtung der Korrelation geringer Grünflächen mit Osteoporose sollte weiter erforscht werden.

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KD Dr. Marcel Weber
Zürich

Zusammenhang zwischen Kapillarmikroskopie und kardiovaskulären Risikofaktoren

Relationship Between Nailfold Videocapillaroscopic (NVC) Findings and Cardiovascular Risk Factors

Álvarez AE et al. Microvascular Research 2024;154:104693

In einer «single-center» Querschnittsstudie wurden vier Gruppen gebildet: Probanden mit rheumatischen Erkrankungen (RD) und Raynaud Phänomen (RP), Teilnehmer mit RD ohne RP, Teilnehmer mit RP ohne RD und schliesslich Teilnehmer ohne RP oder RD (Studiengruppe). Jede Person mit CVRF wies nur einen einzigen Risikofaktor auf.

Die erhobenen Variablen waren: Soziodemografie, CVRF (Diabetes, Tabak, Alkohol (ALC), Fettleibigkeit (OBE), Dyslipidämie (DL) und arterielle Hypertonie (AH), Krankheiten, Raynaud-Phänomen (RP), Behandlungen, Torquierungen und NVC-Veränderungen (Verzweigungen, Ektasien, Megakapillaren, Blutungen and Dichte) und Carotis-Ultraschall (CU). 402 Patienten wurden eingeschlossen (76 % Frauen, Durchschnittsalter 51 ± 16 Jahre), 67 % hatten CVRF, 50 % RP und 38 % RD. Torquierungen waren bei 100 % der CVRF-Teilnehmer vorhanden.

Es zeigte sich ein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen dem Vorhandensein von CVRF und allen NVC-Veränderungen: Verzweigungen (OR = 95.6), Ektasien (OR = 59.2), Megakapillaren (OR = 8.32), Blutungen (OR = 17.6) und Dichte (OR = 14.4). Insbesondere zeigte sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen Megakapillaren und arterieller Hypertonie und Blutungen/Dichte mit Alkohol/Fettleibigkeit. Zusätzlich zeigte sich eine signifikante Korrelation zwischen Plaques im Carotis-Ultraschall und Ektasien (OR = 8.08), Blutungen (OR = 4.04) und Verzweigungen (OR = 3.01); ebenso war eine pathologische Intima-Media-Dicke mit vermehrten Blutungen assoziiert (OR =3.14).

Kommentar
In der klinischen Praxis ist die Kapillarmikroskopie ein nützliches Instrument für die Differentialdiagnose des Raynaud-Syndroms. Interessant an dieser Studie ist, dass eine Vielzahl von CVRF/Variablen insbesondere auch Alkohol, Dyslipidämie und Carotis-Ultraschall miteinbezogen wurde. Es besteht ein eindeutiger Zusammenhang zwischen CVRF resp. atherosklerotischen Ultraschallbefunden in der Halsschlagader mit NVC-Veränderungen. Die Studie gibt wichtige Zusatzinformationen für die korrekte Beurteilung der Kapillarmikroskopie-Befunde im klinischen Alltag; insbesondere ist dies ein Beitrag zur Vermeidung von falsch positiven Befunden bei der Evaluation des primären versus sekundären Raynaud-Syndroms.

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Dr. Christian Marx
Zürich

Serum-Calprotectin bei Infekten

Blood calprotectin as a biomarker for infection and sepsis – the prospective CASCADE trial

Diehl-Wiesenecker E et al. BMC Infect Dis 2024;24:496

Prospektive Studie zur Untersuchung des Serum-Calprotectin in der Detektion von bakteriellen Infektionen.

194 Notfälle mit Verdacht auf Infekt wurden gegenüber 201 Kontrollen untersucht.

Die «Area Under the Receiver Operating Characteristic (AUROC)” von Calprotectin im Serum bezüglich Aufdeckung einer bakteriellen Infektion betrug 0,9, was einer hohen diagnostischen Güte dieses Tests entspricht. Für die Identifikation einer Sepsis betrug diese Zahl 0,83, für die 30 Tagesmortalität 0,78. Besonders gut war der Test bei Patienten mit Diabetes mit einer ROC von 0,94 zur Identifikation einer bakteriellen Infektion.

Fazit
Das Serum-Calprotectin wird bereits früh in der Infektionsphase durch Neutrophile ausgeschüttet und führt zu einer starken Immunantwort. Die vorliegende Studie zeigt, dass die Zuverlässigkeit in Bezug auf die Diagnose eines Infektes bei Verdacht auf Infekt sehr gut ist. Die Autoren folgen, dass insbesondere im Notfall das Serum-Calprotectin helfen kann, Diagnose und Management einer schweren Infektion früh festzulegen, dies in Kombination mit üblichen Biomarkern.

In der Routine wird häufig das CRP wie auch das Procalcitonin zur Suche nach bakteriellen Infekten bestimmt. Weitere Studien sind nötig, um eine allfällige noch höhere Treffsicherheit in einer Kombination der Entzündungsparameter zu evaluieren, zumal Procalcitonin nicht mit dem Calprotectin korreliert, wohl aufgrund der unterschiedlichen Entstehung der Parameter.

Zur Studie
Prof. Dr. Beat A. Michel
Zürich