Ein- oder zweizeitiger Prothesenwechsel bei Hüftprotheseninfekt?

Clinical and cost effectiveness of single stage compared with two stage revision for hip prosthetic joint infection (INFORM): pragmatic, parallel group, open label, randomised controlled trial

Blom A. et al. BMJ 2022;379:e071281

In dieser pragmatischen, offenen, randomisierten Studie aus England wurde bei Patienten mit Hüftgelenks-Protheseninfekt der Effekt einer einzeitigen versus zweizeitigen Hüftprothesenrevision untersucht. Es wurden dabei 140 Patienten mit Hüftprotheseninfekt mit einem Durchschnittsalter von 71 Jahren in die Studie eingeschlossen und in zwei Behandlungsgruppen randomisiert (65 in die einzeitige und 75 in die zweizeitige Gruppe). Schlussendlich erfolgte mit einer Beobachtungszeit von 18 Monaten bei 55 Patienten ein einzeitiger Prothesenwechsel mit operativem Débridement und bei 68 ein zweizeitiger Prothesenwechsel mit zuerst Prothesenentfernung, Wund-Débridement und Einbau eines Spacers mit nachfolgender Operation und Neuimplantation einer Gelenksprothese (im Durchschnitt 3.7 Monate nach der 1. Operation). Alle Patienten wurden lege artis mit Antibiotika behandelt.

Im primären Studienendpunkt nach 18 Monaten zeigte sich kein Unterschied im WOMAC Score (Schmerzen, Steifigkeit und Funktion) zwischen den beiden Behandlungsgruppen. 9 Patienten in der Gruppe mit einzeitigem Prothesenwechsel und 8 in der zweizeitigen Gruppe hatten noch Zeichen eines persistierenden Infektes. In der zweizeitigen Gruppe traten mehr intraoperative Komplikationen auf.  Die durchschnittliche Hospitalisationsdauer betrug 17 Tage versus 24 Tage zugunsten der einzeitigen Gruppe.  Daneben waren die Kosten deutlich günstiger für die Gruppe mit einzeitigem Prothesenwechsel (ca. 11’000 £).

Kommentar
In dieser prospektiven randomisierten Studie bei Patienten mit Hüftgelenkprotheseninfekt zeigte sich nach 18 Monaten kein Unterschied betreffend Schmerzen, Steifigkeit, Funktion und auch persistierenden oder Reinfekten zwischen einem ein- oder zweizeitigen Vorgehen bei einem Prothesenwechsel. Bei zweizeitigen Prothesenwechsel traten häufiger operative Komplikationen auf und die Kosten waren signifikant höher.

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Dr. Thomas Langenegger
Baar

Rückenmarks-Stimulation bei postoperativem Kreuzschmerz unwirksam

Effect of Spinal Cord Burst Stimulation vs Placebo Stimulation on Disability in Patients With Chronic Radicular Pain After Lumbar Spine Surgery: A Randomized Clinical Trial

Hara S. et al. JAMA 2022;328:1506

50 Patienten in Norwegen mit postoperativem Kreuzschmerz (52 Jahre; 54% Frauen) wurden zwei 3-monatigen Perioden mit Rückenmarks-Burst-Stimulation und zwei 3-Monats-Perioden mit Placebo-Stimulation unterzogen (Crossover); 42 (84%) vollendeten die Studie. Der Stimulus bestand aus einem 40-Hz-Burst-Modus von Konstantstromreizen mit 4 Spikes pro Burst und einer Amplitude, die 50% bis 70% der Parästhesie-Schwelle entspricht. Der mittlere ODI-Wert (Oswestry Disability Index 0 bis 100 Punkte) zu Studienbeginn betrug 44.7 Punkte und die mittleren Veränderungen -10.6 Punkte für die Burst-Stimulationsperioden und -9.3 Punkte für die Placebo-Stimulationsperioden (p=0.32). Keiner der vorgegebenen sekundären Endpunkte zeigte einen signifikanten Unterschied. Bei neun Patienten (18%) traten unerwünschte Ereignisse auf, darunter 4 (8%), bei denen das implantierte System chirurgisch überarbeitet werden musste.

Trotz der kleinen Teilnehmeranzahl kann geschlossen werden, dass Patienten mit chronischen radikulären Schmerzen nach einer lumbalen Operation von einer Rückenmark-Stimulation nicht profitieren. Sie ist aufwändig und nebenwirkungsreich und sollte nicht empfohlen werden.

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KD Dr. Marcel Weber
Zürich

Hüftfrakturrisiko: BMD und Genetik

Assessment of the Genetic and Clinical Determinants of Hip Fracture Risk: Genome-Wide Association and Mendelian Randomization Study

Nethander M. et al. Cell Reports Medicine 2022:online ahead of print

Hüftfrakturen sind die klinisch wichtigsten Frakturen, aber die genetische Architektur von Hüftfrakturen ist unklar. In einer gross angelegten Hüftfraktur Genom-Assoziationsstudie Metaanalyse und «Mendelian randomization»-Studie wurden 5 europäische Biobank-Kohorten (Anzahl Fälle von Hüftfrakturen (n=11’516) und Kontrollen (n=723’838)) aus fünf grossen Biobanken eingeschlossen. Die Ergebnisse zeigen, dass fünf genetische Signale mit Hüftfrakturen assoziiert sind. Davon steht ein Signal in Zusammenhang mit Stürzen, aber nicht mit der Knochenmineraldichte (BMD), während vier Signale in Loci liegen, von denen bekannt ist, dass sie an der Knochenbiologie beteiligt sind. Mendelsche Randomisierungsanalysen zeigen einen starken kausalen Effekt einer verminderten Schenkelhals-BMD und mässige kausale Effekte der Alzheimer-Krankheit und des regelmässigen Rauchens auf das Risiko von Hüftfrakturen. Der erhebliche kausale Effekt einer verminderten Schenkelhals-BMD auf Hüftfrakturen sowohl bei jungen als auch bei älteren Probanden und sowohl bei Männern als auch bei Frauen unterstützt die Verwendung von Veränderungen der Schenkelhals-BMD als Surrogat-Ergebnis für Hüftfrakturen in klinischen Studien.

Kommentar
Interessant an der Studie ist, dass die kausalen klinischen Risikofaktoren für Hüftfrakturen herausgearbeitet wurden: Schenkelhals-BMD-Wert, die Alzheimer-Krankheit und regelmässiges Rauchen. Zusätzlich zu den 4 Genloci, welche in ihrer biologischen Wertigkeit im BMD abgebildet sind, zeigt sich ein Locus, welcher BMD unabhängig ist. Das genetische Signal, welches sich am APOE-Lokus befindet, ist mit Stürzen, aber nicht mit BMD-Messungen assoziiert. Stürze sind eine wichtige Determinante für Hüftfrakturen; darüber hinaus ist es möglich, dass dieses Signal auch das Sturzmuster beeinflusst, da eine Abnahme der altersbedingten neuromuskulären Funktion das Sturzverhalten verändern kann. Wenn wir die Arme nicht angemessen ausstrecken, fallen wir häufiger auf die Seite, direkt auf die Hüfte. Altersstratifizierte Analysen ergaben, dass dieses genetische Signal bei alten, aber nicht bei jungen Probanden mit dem Hüftfrakturrisiko verbunden war. Das am APOE-Lokus identifizierte Signal für Hüftfrakturen ist identisch mit dem wichtigsten etablierten aminosäureverändernden genetischen Signal für die Alzheimer-Krankheit (im Exon 4 des Apo-Lipoproteins E). Das Allel, welches das Risiko für die Alzheimer-Krankheit erhöht, erhöht auch das Risiko für Hüftfrakturen und Stürze. Die MR-Analysen zeigten, dass die Alzheimer-Krankheit kausal mit einem erhöhten Hüftfrakturrisiko verbunden ist, und eine Sensitivitätsstudie, die das genomweit signifikante Hüftfraktursignal am APOE-Locus ausschloss, ergab einen ähnlichen kausalen Zusammenhang.

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Dr. Christian Marx
Zürich

SLE: Retinale Toxizität unter Hydroxychloroquin

Retinal toxicity in a multinational inception cohort of patients with systemic lupus on hydroxychloroquine

Almeida-Brasil CC et al. Lupus Sci Med 2022; 9(1):online ahead of print

Evaluation der Hydroxychloroquin (HCQ) induzierten retinalen Toxizität in einer multinationalen Kohorte von 1460 Patienten mit beginnendem systemischem Lupus erythematodes (SLE). Jährliche Datensammlung über 20 Jahre. Eine retinale Toxizität wurde bei 11 Patienten gefunden (Inzidenz: 1 pro 1000 Personenjahre). Durchschnittliche HCQ-Dauer bei retinaler Toxizität 7,4 Jahre mit einem ersten Fall nach 4 Jahren HCQ. Bei älteren Patienten mit SLE war das Risiko einer retinalen Toxizität leicht erhöht. Mit zunehmender Expositionsdauer stieg das Risiko, insbesondere bei Patienten mit einer Dosierung von > 5 mg pro kg Körpergewicht.

Fazit
HCQ gehört nach wie vor zur ersten Wahl der Basistherapie bei SLE. Eine retinale Toxizität ist zwar selten (1 in 1000 Patientenjahren), kann jedoch nach mehreren Jahren auftreten, insbesondere bei Dosierungen über 5 mg/kg pro Tag. Die vorliegende Studie mit HCQ bei beginnendem SLE bestätigt die Resultate anderer Untersuchungen. Eine Augenkontrolle lohnt sich vor allem ab dem fünften Expositionsjahr, dies ganz besonders bei Dosis über 5 mg/kg Körpergewicht und älteren Patienten.

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Prof. Dr. Beat A. Michel
Zürich