Anakinra versus Kortison in der Therapie des akuten Gichtschubes

A Randomized, Phase II Study Evaluating the Efficacy and Safety of Anakinra in the Treatment of Gout Flares

Saag K. et al., Arthritis Rheumatol 202;73(8):1533

In dieser placebokontrollierten Doppelblindstudie wurde die Effektivität einer Schubtherapie bei Gicht mit Triamcinolon 40mg 1-malig i.m. versus Anakinra in einer Dosis von 100 oder 200mg s.c. täglich während 5 Tagen untersucht. Es wurden insgesamt 165 Patienten (durchschnittlich 56-jährig mit einer Krankheitsdauer zwischen 7.7 bis 9.7 Jahren) mit bekannter Gicht und einem akuten Schub in die Studie eingeschlossen. 55 erhielten 40mg Triamcinolon einmalig i.m. und an 5 Tagen eine subcutane Placeboinjektion, 56 Patienten 100mg, 54 Patienten 200mg Anakinra s.c an 5 Tagen und einmalig am ersten Tag eine i.m. Placeboinjektion.

Im primären Studienendpunkt Schmerzreduktion nach 24–72 Stunden zeigte sich kein signifikanter Unterschied zwischen den 3 Behandlungsgruppen. In den sekundären Endpunkten Schnelligkeit der Schmerzreduktion, Patienten und Arzt Global Assessment, klinische Entzündungszeichen und CRP Abfall war die Therapie mit Anakinra derjenigen mit Triamcinolon überlegen.
Die Nebenwirkungsrate war in allen 3 Gruppen vergleichbar.

Diese Studie zeigt, dass eine Schubtherapie bei Gicht mit Anakinra keine Vorteile bezüglich Schmerzreduktion gegenüber einer Glukokortikoidtherapie bringt. Allerdings scheint Anakinra schneller und in der subjektiven Einschätzung des Patienten und des Arztes besser zu wirken.
Anakinra ist damit eine gute Alternative zu einer Glukokortikoidtherapie für die Behandlung des akuten Gichtschubes. Ich verwende diese Therapie vor allem bei älteren multimorbiden Patienten, bei welchen eine Glukortikoidtherapie schlecht verträglich oder kontraindiziert ist. Erfahrungsgemäss reichen in der Regel 2-3 Injektionen à 100mg.

Zur Studie
Dr. Thomas Langenegger
Baar

Riesenzellarteriitis: Die Rolle von Tocilizumab

Tocilizumab monotherapy after ultra-short glucocorticoid administration in giant cell arteritis: a single-arm, open-label, proof-of-concept study

Christ L et al, Lancet Rheumatol 2021:online

Diese Studie aus Bern (GUSTO Trial) untersuchte die Wirksamkeit und Sicherheit von Tocilizumab als Monotherapie nach nur drei Tagen Glukokortikoid-Applikation bei neu aufgetretener Riesenzellarteriitis (Temporalarteriitis).

18 Patienten; Neudiagnose einer Riesenzellarteriitis innerhalb 4 Wochen vor der Screening-Visite; Therapie an 3 folgenden Tagen à je 500 mg Methylprednisolon i.v., danach Einzelinfusion mit Tocilizumab (8 mg/kg Körpergewicht), gefolgt von wöchentlichen subkutanen Tocilizumab-Injektionen (162 mg) bis zur Woche 52.
15 der 18 Patienten hatten kraniale Symptome, 10 hatten eine Polymyalgia rheumatica, bei 13 fand sich eine positive Histopathologie. 14 der 18 Patienten (78%) hatten eine Remission innerhalb von 24 Wochen; mittlere Zeitdauer bis zur Remission 11,1 Wochen; nach Eintreten einer Remission trat bei keinem dieser Patienten ein Rückfall auf bis Woche 52. 3 Patienten sprachen nicht auf die Therapie an und 2 fielen aus der Studie wegen Nebenwirkungen (Hepatopathie bzw. Divertikulitis). Eine anteriore ischämische optische Neuropathie trat bei einem Patienten auf.

Zwei frühere randomisierte Trials zeigten einen Glukokortikoid-Spareffekt von Tocilizumab. Es blieb jedoch unsicher, ob Tocilizumab selbst auch zu einer Remission beitragen kann. Die vorliegende Studie zeigt nun, dass Tocilizumab zu einer langsamen Remission mit langanhaltender Wirkung führt. Im Gegensatz zur Behandlung mit Glukokortikosteroiden tritt die Remission erst nach einigen Wochen auf, was nahelegt, dass eine tiefdosierte Glukokortikoidtherapie möglicherweise in den ersten zwei- bis drei Monaten die Wirksamkeit verbessert. Diese Studie ist sehr wichtig, indem sie die Rolle von Tocilizumab näher beschreibt und zeigt, dass mit grosser Wahrscheinlichkeit die übliche Standardtherapie mit Glukokortikoiden eine Überbehandlung darstellt. Zur Festigung der Resultate dieser Konzeptstudie bedarf es randomisierter grösserer Untersuchungen.

Demnächst wird diese Studie mit ihren Implikationen in Form eines Flash von Rheuma Schweiz erscheinen.

Zur Studie
Prof. Dr. Beat A. Michel
Zürich

Genom-editierte Substanz könnte Organschäden bei hereditärer Amyloidose verhindern

CRISPR-Cas9 In Vivo Gene Editing for Transthyretin Amyloidosis

Gillmore J.D. et al. New Engl J Med 2021;385:493

6 Patienten mit Polyneuropathie wegen hereditärer Amyloidose (Transthyretin [TTR]-Protein-Ablagerung in verschiedenen Geweben, vorwiegend Nerven und Herz; mittleres Überleben bei Polyneuropathie 4–17, bei Kardiomyopathie 2–6 Jahre) wurden mit NTLA-2001, einem mit der Genschere in vivo erzeugten Therapeutikum, welches die TTR-Konzentration im Serum herabsetzt, einmalig mit zwei Konzentrationen (0.1 resp. 0.3mg/kgKG intravenös) behandelt (Phase I-Studie). Die Trägersubstanz für die Genom-editierte single guide RNA (sgRNA) für eine Sequenz auf Chromosom 18, ein hepatotropes Lipidnanopartikel, wird vom Hepatozyten via Endocytose über den low-density lipoprotein-Rezeptor aufgenommen. In den ersten 28 Tagen traten nur wenige und höchstens milde Nebenwirkungen auf. Die TTR-Protein-Konzentration im Serum nahm bei den ersten drei Patienten um 52%, bei den zweiten drei um 87% ab.

Die CRISPR-Cas9-Technologie zur Genom-Editierung dürfte uns bald in der Praxis beschäftigen. Vorläufig sind die 28-Tage-Daten für hereditäre Amyloidose ermutigend; ob die Verminderung von TTR im Serum tatsächlich langfristig anhaltend sein wird und auch eine Wirkung auf die TTR-Ablagerungen im Gewebe bewirkt, sind nur zwei der vielen offenen Fragen.

Zur Studie
KD Dr. Marcel Weber
Zürich

Knieschmerzen von jungen Frauen: Assoziationen

Knee pain in young adult women - associations with muscle strength, body composition and physical activity

Ericsson YB et al. BMC Musculoskelet Disord 2021;22:715

Meist werden Knieschmerzen in Kohorten von älteren Menschen untersucht. Diese Studie untersucht einen möglichen Zusammenhang zwischen Knieschmerzen und Muskelkraft der Oberschenkel bei jungen Frauen.

In einer grossen Frauen-Kohorte, ausgehend im Alter von 25 Jahren, wurde ein Zehnjahres-Follow-up durchgeführt mit Untersuchung der Körperkomposition (DXA) sowie Muskelkraft (n=797), zugleich wurden verschiedene Gesundheits- und Lifestylefragen mittels Fragebogen erfasst.

1/3 der Frauen im Alter von 35 Jahren gab Knieschmerzen an. Die körperliche Aktivität bei Frauen mit und ohne Knieschmerzen war nicht unterschiedlich. Hingegen fanden sich Unterschiede in der Körperkomposition (Knieschmerz war assoziiert mit höherem BMI, höherem Fettmassenindex und weniger Muskelkraft der Oberschenkel (sowohl Extensoren wie auch Flexoren).

Fazit:
Knieschmerzen sind häufig bei Frauen bereits Mitte 30. Assoziationen fanden sich mit einer niedrigeren Muskelkraft der Oberschenkel und höherem Fettanteil. Über die Kausalität der Knieschmerzen lässt sich in dieser Studie nichts aussagen. Hingegen darf gefolgert werden, dass die Beachtung einer gesunden Körperzusammensetzung und adäquaten Muskelkraft bezüglich Kniegesundheit wichtig ist.

Zur Studie
Prof. Dr. Beat A. Michel
Zürich