Fragestellungen bezüglich der Wirbelsäule sind ein sehr häufiger Zuweisungsgrund in der kinder- und jugendorthopädischen Sprechstunde. In den meisten Fällen handelt es sich um Haltungsprobleme, manchmal jedoch auch um zumindest teilfixierte Deformitäten, wie sie bei der Skoliose und dem Morbus Scheuermann vorliegen. Im nachfolgenden Artikel wird auf die einzelnen Fragestellungen eingegangen unter besonderer Berücksichtigung des frühen Erkennens, welches insbesondere bei der Skoliose essenziell ist.

Haltungsprobleme im Wachstumsalter

«Der sitzt immer so krumm beim Essen!», «Wie sieht das denn aus?», «Kommt das vom vielen Gamen?» – das sind nur einige der Aussagen der Eltern in der Sprechstunde, während ihre zugewiesenen Kinder mehr oder weniger verständnislos daneben sitzen. Auch wir als Eltern kennen diese Auseinandersetzungen mit unseren Kindern und meistens auch schon aus unserer eigenen Kindheit, in der wir in Endlosschleife diese Vorwürfe («jetzt setz’ Dich doch mal gerade hin!») von unseren Eltern gehört haben.

Bei der hier gemeinten sogenannten Haltungsinsuffizienz oder -schwäche des meist jugendlichen Patienten fehlt es häufig an Körperspannung, aber auch an intrinsischer Motivation, an der Körperhaltung etwas zu verändern. Aufrecht zu sitzen oder gerade zu stehen ist nicht «in» und ist nicht selten aber auch Ausdruck eines in dieser Zeit vorliegenden mangeln- den Körper- und Selbstbewusstseins. Das klinische Bild ist nicht selten eindrucksvoll mit starker Kyphosierung der Brustwirbelsäule, einem starken Hohlkreuz, deutlich nach vorne hängenden Schultern und durch die HWS-Lordose rekliniertem Kopf. Auf Aufforderung können diese Jugendlichen ihre Haltung vollständig korrigieren, verbleiben aber meist nur kurz in dieser Haltung, da sie als anstrengend empfunden wird. In Inklination zeigt sich bei der reinen Haltungsproblematik eine harmonische Kyphosierung der gesamten Wirbelsäule (Abb. 1–4).

Abb. 2: Typischer Haltungszerfall im Stehen und im Sitzen.
Abb. 1: Typischer Haltungszerfall im Stehen und im Sitzen.
Abb. 3: Vollständige Haltungskorrektur durch aktive Aufrichtung.
Abb. 4: Vollständige Haltungskorrektur durch aktive Aufrichtung.

Eine fixierte Kyphose kann man gut durch eine Untersuchung in Bauchlage ausschliessen. Am besten gelingt dies, indem man den Patienten auf der Liege weit nach oben rutschen lässt, bis der Kopf und die Schultern nach unten hängen. Dann soll sich der Patient wie beim Schmetterlingsschwimmen aufrichten. Normalerweise kann dieser die Kyphosierung der BWS dann vollständig aus- und überkorrigieren, während ihm das bei einer fixierten Deformität nicht gelingen würde.

Nicht selten werden bei Haltungsschwächen rezidivierende Schmerzen in der paravertebralen Muskulatur angegeben. Wenn diese aber nur kurzfristig vorhanden sind, kann man andere Ursachen ausschliessen. Nachtschmerzen oder streng identische Lokalisationen sind jedoch Warnsignale, die mit einer bildgebenden Untersuchung weiter abgeklärt werden sollten.

Bei sehr ausgeprägtem Befund bzw. begleitenden Schmerzen wird Physiotherapie zur Haltungskorrektur verordnet. Dazu sollte auch geeignete sportliche Aktivität wie z. B. Schwimmen, Klettern, Tanzen, Volleyball, Basketball oder Handball empfohlen werden.

Grundsätzlich hat die Haltungsproblematik eine günstige Prognose und ist nur temporär in der Pubertät ein grosses Thema. Eine permanente Fehlhaltung kann aber unter Umständen zu einer fixierten Hyperkyphose führen oder einen Morbus Scheuermann begünstigen.

Morbus Scheuermann

Der M. Scheuermann tritt im Rahmen des Pubertäts- wachstums auf und sollte nicht mit einer Haltungsschwäche verwechselt werden. Es handelt sich um eine Wachstumsstörung der Ringapophysen mit Ausbildung von Keilwirbeln und Herniationen von Bandscheibenmaterial in die Deck- und Bodenplatten mit sog. Schmorlschen Knoten, Randleistenhernien. Durch die Verlagerung von Bandscheibenmaterial kommt es auch zu einer Höhenminderung der Bandscheibenräume, was die Kyphose weiter verstärkt.

Im Gegensatz zur Haltungsschwäche lässt sich eine Scheuermannkyphose nicht vollständig aufrichten.

Je nach Lokalisation der Fehlstellung spricht man von einem thorakalen, thorakolumbalen oder lumbalen M. Scheuermann. Das klinische Erscheinungsbild der o. g. Typen ist unterschiedlich. Der thorakale M. Scheuermann verursacht eine oft sehr auffällige Thorakalkyphose mit kompensatorischer lumbaler und cervicothorakaler Hyperlordose. Dieser Typ führt aber selten zu Schmerzen. Beim lumbalen oder thorakolumbalen M. Scheuermann entsteht ein Flachrücken, welcher mechanisch ungünstig ist und häufig Schmerzen verursacht. Etwa ein Drittel der Scheuermann-Patienten hat auch eine Skoliose, die Gefahr der Progredienz ist im Vergleich zur idiopathischen Skoliose aber deutlich geringer. Bei starker Thorakalkyphose kommt es bei der kompensatorischen Hyperlordose zu einer Überlastung der Bogenwurzeln von L5 und daher gehäufter zu einer Spondylolyse an diesem Ort.

Diagnosestellung

Klinisch wird somit zunächst das Sagittalprofil beurteilt hinsichtlich thorakaler Hyperkyphose mit kompensatorischer Hyperlordose oder Kyphose lumbal bzw. thorakolumbal. Bei Reklination aus Bauchlage kann anhand der Restkyphose die Rigidität der Fehlstellung beurteilt werden. Begleitend ist häufig auch die Ischiocruralmuskulatur, bei thorakaler Hyperkyphose die Pectoralismuskulatur verkürzt.

Bildgebung

Diagnosekriterien für einen M. Scheuermann im Röntgen sind: drei aufeinanderfolgende thorakale oder zwei lumbale Keilwirbel über 5°, Schmorl- Knoten oder Randleistenstörungen.

Eine ergänzende MRI-Bildgebung kann Aufschluss über die Aktivität der Scheuermannerkrankung und somit auch die Progredienzgefahr geben. In den betroffenen Segmenten zeigt sich bei aktiver Erkrankung oft ein Knochenmarködem der Wirbelkörper, dazu lassen sich Bandscheibenveränderungen besonders gut nachweisen.

Prognose

Kyphosen thorakal von über 70 ° können auch im Erwachsenalter weiter zunehmen und allenfalls Schmerzen verursachen. Vor allen die lumbalen und thorakolumbalen Formen können auch schon im Jugendalter schmerzhaft sein.

Therapie

Da die ventralen Strukturen auf Höhe der Kyphose meist verkürzt sind, sollten diese konsequent gedehnt werden zur Verbesserung der Fehlstellung und Vermeidung von Progredienz. Die Dehnung sollte mit Kräftigung der aufrichtenden Rumpfmuskulatur einhergehen, aber auch passiv, über ein Hypomochlion wie eine Gymnastikrolle erfolgen. Die angrenzenden Regionen sollten mit einbezogen werden (Ischiocruralmuskulatur, Schulter- gürtel, HWS).

Eine Aufrichtekorsettbehandlung nach dem 3-Punkt-Prinzip wird in Erwägung gezogen bei star- ken Fehlstellungen und einem verbleibenden Wachstumspotential von mehr als einem Jahr. Mit dem Korsett lässt sich nicht nur eine Zunahme verhindern, sondern auch eine Verbesserung der Krümmung mit Korrektur der Keilwirbel erreichen, zum einen durch Aktivierung der muskulären Aufrich- tung, zum anderen durch Entlastung der Ringapophysen mit der Möglichkeit zur Remodellierung der Keilwirbel im weiteren Wachstum.

Bei symptomatischen oder stark kosmetisch stören- den Krümmungen über 70° kann auch eine operative Korrektur diskutiert werden (Abb. 5–9).

Abb. 5: Klinisches Bild einer thorakalen Hyperkyphose.
Abb. 6: Radiologische Darstellung eines M. Scheuermann im Seitenbild.
Abb. 7: Gleicher Patient im Aufrichtekorsett.
Abb. 8: Schwere Scheuermannkyphose (präoperativ).
Abb. 9: Postoperatives Bild nach Aufrichtespondylodese.

Skoliose

Skoliose ist eine 3-dimensionale Fehlstellung der Wirbelsäule mit einer Seitverkrümmung von mehr als 10 Grad gemessen nach Cobb.

Je nach Ursache der Skoliose unterscheiden wir ver- schiedene Typen. Mit 90 % ist die idiopathische Skoliose die weitaus häufigste Form. Sie tritt meist ab dem 11. Lebensjahr auf (Adoleszentenskoliose) und betrifft viermal häufiger Mädchen als Jungen. In 50 % der Fälle besteht eine familiäre Häufung. Juvenile Skoliosen (Alter 0–3 Jahre) und infantile Skoliosen (Alter 4–10 Jahre) kommen deutlich seltener vor. Auch diese Formen treten vermehrt bei Mädchen auf, wobei die Geschlechtsverteilung ausgeglichener ist als bei der Adoleszentenskoliose. Skoliosen bei Kin- dern unter 10 Jahren werden, unabhängig von der Art der Skoliose, als «early onset Skoliosen» bezeichnet.

Neben der idiopathischen Skoliose gibt es kongenitale Skoliosen (bei Fehlbildungen), neuromuskuläre Skoliosen (bei spastischen oder schlaffen Lähmungen, Muskeldystrophie, Meningomyelozele, Neurofibromatose etc.) und sekundäre Formen (posttraumatisch, tumorbedingt, postinfektiös, aufgrund starker Beinlängendifferenzen). Auch bei bestimmten genetischen bzw. syndromalen Erkrankungen wie Prader-Willi-Syndrom, Marfansyndrom und Ehlers-Danlos-Syndrom kommen gehäuft Skoliosen vor.

Bei Skoliosen unterscheidet man verschiedene Krümmungsmuster, wobei bei der idiopathischen Skoliose meist eine thorakal rechtskonvexe Krümmung und lumbal linkskonvexe Gegenkrümmung auftritt. Neben der Fehlstellung in der Frontalebene kommt es auch zu einer Rotation der Wirbelkörper gegeneinander, was sich im Vorneigetest als Prominenz auf Seite der Krümmungskonvexität zeigt (Rip- penbuckel oder Lendenwulst).

Neben der typischen S-förmigen thorakolumbalen Skoliose sehen wir in der Praxis auch häufig lumbale Skoliosen. Diese sind oft nicht so gut kompensiert und führen vermehrt zu Lotabweichungen mit Fehl-belastungen und Lumbalgien.

Neben der Krümmung mit ihren entsprechenden mechanischen Auswirkungen ist das langfristige Problem die Progression der Fehlstellung. Die schnellste Progression tritt im Rahmen des pubertären Wachstumsschubs auf, weswegen während dieser Zeit die Patienten engmaschig verlaufskontrolliert werden müssen. Mit Ende des Wachstums verlangsamt sich in der Regel die Progredienz. Aufgrund der langen verbleibenden Wachstumsdauer ist die Prognose bei infantilen und juvenilen Skoliosen grundsätzlich schlechter als bei Adoleszentenskoliosen.

Ätiologie

Aktuell geht man davon aus, dass die idiopathische Skoliose aufgrund eines unproportional stärkeren Wachstums der Wirbelkörper gegenüber den dorsalen Strukturen entsteht. Dabei kommt es erst zu einer funktionellen Lordose, dann zu einer Drehung der Wirbelkörper gegeneinander mit Ausbildung einer seitlichen Verkrümmung. Jugendliche mit Skoliose haben daher oft eine auffällig gerade Haltung, einen Flachrücken oder Hohlflachrücken.

Beinlängendifferenzen bewirken initial lediglich eine skoliotische Fehlhaltung, welche bei Beinlängenaus- gleich reversibel ist. Bei grösseren Längendifferenzen von 1,5–2 cm wird aber die Entwicklung einer echten sekundären Skoliose langfristig begünstigt.

Klinik und Diagnostik

Idiopathische Skoliosen verursachen nur selten Schmerzen und werden deshalb häufig erst spät diagnostiziert, wenn sie bereits relativ fortgeschritten sind (Abb. 10).

Abb. 10: Spät entdeckte linkskonvexe Lumbalskoliose. Ausgeprägte Taillenasymmetrie und Lotdeviation.

In der Pubertät zeigen sich die Jugendlichen vor ihren Eltern immer seltener unbekleidet. Typischerweise fällt initial eine Asymmetrie von Taille oder Schultern auf, oft erstmals im Sommer in Badebekleidung. Daher ist es bedeutend, dass bereits leichte Asymmetrien im Rahmen einer Vorsorgeuntersu- chung oder einer anderen Untersuchung entdeckt werden (Abb. 11).

Abb. 11: S-förmige thorakal rechtskonvexe Thorakalskoliose mit Schulter- und Taillenasymmetrie.

Die wichtigste klinische Untersuchung ist neben der Inspektion von Schultern und Taillendreiecken der Vorneigetest: Der Untersucher sitzt hinter dem Patienten, dieser wird nun aufgefordert, sich gerade nach vorne zu neigen. Auf Höhe der Krümmungskonvexität zeigt sich dann eine Wulstbildung, welche thorakal Rippenbuckel und lumbal Lendenwulst genannt wird. Für die Messung wird ein eventueller Beinlängenunterschied mit Brettchenunterlage ausgeglichen (Abb. 12).

Abb. 12: Skoliometermessung.

Klinisch relevant ist ein Rippenbuckel oder Lenden- wulst ab einem Winkel von 5 °. Am zuverlässigsten misst man diesen mit einem Skoliometer. Die Skoliometermessung dient auch zur Verlaufsbeobachtung. Eine Zunahme des Rippenbuckels oder Lendenwulstes ist indirekt auch Ausdruck einer Zunahme der Skoliose. Durch die systematische Kontrolle mit dem Skoliometer können im Verlauf Röntgenbilder eingespart werden.

Weitere Skoliosezeichen bei der klinischen Untersuchung sind neben Wulstbildung, Schulter- und Taillendreieck-Asymmetrie asymmetrisch abstehende Scapulae, Schulterschiefstand und Lotdeviation von Kopf und Schultergürtel gegenüber dem Becken (Lot von C7 auf die Rima ani). Bei der seitlichen Betrachtung achtet man auf eine relative Lordose der BWS (Gesamtkyphose < 20 °), Hyperkyphose oder eine Verstärkung oder Verminderung der Lordose. Beim Vor-, Rück- und Seitneigen wird die harmonische Krümmung der Wirbelsäule geprüft.

Bei klinisch suspektem Befund gehört die radiologische Kontrolle der gesamten Wirbelsäule a. p. und seitlich zur sachgerechten Beurteilung. Die Verwendung von Röntgenbildgebung wird aber auf das Mindestmass beschränkt, um bei den oft mehrjährigen Verläufen die kumulative Strahlendosis möglichst niedrig zu halten. Die Verwendung eines strahlensparenden EOS-Röntgengeräts erweist sich diesbezüglich als besonders wertvoll.

Gemessen wird die Skoliosekrümmung in der Frontal- und Sagittal-Ebene nach der Methode von Cobb. Es wird eine Linie durch die Deckplatte des kranial und die Bodenplatte des kaudal am stärksten gegen die Senkrechte verkippten Wirbels gezogen. Diese beiden Wirbel werden auch Endwirbel genannt. Der Winkel dazwischen (bzw. ihrer Senkrechten) entspricht dem Skoliosewinkel.

Die Rotation der Wirbelkörper wird nach der Methode von Nash und Moe beurteilt anhand des Ausmasses der seitlichen Verschiebung der Pedikelschatten.

Für die Prognose einer Progredienz ist die Skelettreife wichtig. Diese wird beurteilt anhand der Ossifikation der Beckenkammapophyse, dem sog. Risser-Zeichen (Stadium I–V) oder noch präziser durch eine Knochenalterbestimmung am Handröntgen (nach Greulich und Pyle). Bei atypischen Skoliosekrümmungen sollten mittels MRI Ursachen wie Tethered cord, Chiari-Malformation, Syringomyelie oder Tumoren und Entzündungen ausgeschlossen werden.

Prognose

Während des Wachstums muss mit einer Progredienz gerechnet werden, am stärksten während des pubertären Wachstumsschubes (bei Mädchen 1 Jahr vor bis 1 Jahr nach der Menarche). Das für Skoliose relevante Wachstum ist abgeschlossen bei einem Risser-Stadium IV (bei Mädchen meist 2 Jahre nach Menarche) bzw. einem Skelettalter nach Greulich und Pyle von > 15 Jahren bei Mädchen bzw. > 17 Jahren bei Jungen.

Frühes Manifestationsalter und Ausgangs-Cobb- Winkel über 25 ° sind prognostisch ungünstig. Nach Wachstumsabschluss ist bei Krümmungen von über 50 ° mit einer Progredienz von 0,5–1 ° pro Jahr zu rechnen.

Behandlung der Skoliose

Die Behandlung richtet sich nach dem Schweregrad der Krümmung. Ziel ist es, die Progredienz der Krümmung aufzuhalten. Skoliosen unter 10 ° Cobb-Winkel haben keinen Krankheitswert und werden lediglich beobachtet. Krümmungen bis 15 ° behandelt man bei zusätzlicher ausgeprägter Haltungsinsuffizienz oder Lotdeviation mit Physio- therapie. Ansonsten wird Sport, welcher die Rumpfkontrolle verbessert (wie z. B. Schwimmen, Klettern, Tanzen) empfohlen.

Bei stärkerer Skoliose sollte die Physiotherapie bei einer für Skoliose spezialisierten Physiotherapiestelle stattfinden. Gängige Techniken sind die Therapie nach Katharina Schroth und die E-Technik nach Hanke.

Ab einem Cobb-Winkel von 25 °, bei rascher Progredienz ggf. ab 20 °, und einem Wachstumspotential von über einem Jahr (< Risser 3) besteht die Indikation zur Korsettbehandlung.

Dem Behandler muss bewusst sein, dass eine Kor- settbehandlung für die Patienten und die gesamte Familie ein einschneidendes Ereignis ist, welches unglücklicherweise meist genau in einem Alter auf- tritt, in welchem aufgrund der Pubertät ohnehin andere «Baustellen» im Leben der Patienten bestehen.

Eine Korsettbehandlung ist dann erfolgreich, wenn eine gute und konstruktive sowie transparente Zusammenarbeit mit Austausch zwischen Patienten mit Familie, Kinderorthopäden, Kinderarzt, Physiotherapeuten und Orthopädietechniker vorhanden ist. Nur so kann eine gute Compliance, also Akzeptanz des Korsetts erreicht werden.

Die Aufgabe der Kinderorthopäden ist es, die Patienten und deren Familien gut über jeden Schritt der Behandlung zu informieren und ein offenes Ohr für alle mit der Korsettbehandlung verknüpften Ängste und Sorgen zu haben.

In der Schweiz wird meist das sogenannte Cheneau-Korsett verwendet, welches derotierend nach dem 3-Punkte-Prinzip korrigiert. Das Korsett wird nach Mass für den Patienten angefertigt. Nach einer Eingewöhnungsphase von 4–6 Wochen sollte das Korsett ausser bei Sport, Physiotherapie und Körperpflege ständig getragen werden. Eine Tragedauer von etwa 22 Stunden täglich ist erforderlich.

Wichtig für den Erfolg ist auch das Ausmass der Primärkorrektur im Korsett, welche ca. 6 Wochen nach Korsettanfertigung und erfolgter Eintragephase radiologisch kontrolliert werden muss, um bedarfsabhängig das Korsett nachbessern zu können. Die Patienten werden regelmässig in der Kinderorthopädie, aber auch beim Orthopädietechniker kontrolliert.

Bei laufender Korsetttherapie erfolgen klinische Kontrollen alle 3–6 Monate, Röntgenbilder werden je nach Wachstum und klinischem Befund alle 6–12 Monate angefertigt. Das Korsett wird bis zum Wachstumsabschluss (Risser IV, 2 Jahre nach Menarche) getragen, dann kann das sukzessive Abgewöhnen des Korsetts eingeleitet werden (Abb. 13–15).

Abb. 13: Lumbalskoliose um die 25°.
Abb. 14: Gleiche Patientin im «Korsett à trois valves».
Abb. 15: Korrektureffekt im Korsett.

Bei Krümmungen von 40–45 ° und verbleibendem Wachstumspotential oder aber bei Krümmungen über 45–50 ° bei ausgewachsenen Patienten wird die Option einer operativen Therapie besprochen. Gemeinsam mit den Kollegen der Wirbelsäulenchirurgie wird dann die individuelle Situation beurteilt und ein Konzept für die chirurgische Behandlung erstellt (Aufrichtespondylodese) (Abb. 16–17).

Abb. 16: Thorakalskoliose um gut 45°.
Abb. 17: Postoperatives Resultat nach Aufrichtespondylodes