Nachwuchsprobleme/Kinderlosigkeit bei Menschen mit autoimmun-entzündlichen Erkrankungen

Patterns of reproductive health in inflammatory rheumatic diseases and other immune-mediated diseases: a nationwide registry study

Kerola A. M. et al. Rheumatology 2024:online ahead of print

Die Kolleginnen und Kollegen aus Finnland haben eine nationale retrospektive Registerstudie bei über 5 Millionen finnischen Bürgerinnen und Bürgern durchgeführt. Hierbei wurde untersucht, ob Menschen mit entzündlich-rheumatischen oder anderen immun-vermittelten Erkrankungen weniger Kinder bekommen respektive zeugen, hier ausgedrückt als «reproduktive Gesundheit». Zudem wurde bei Frauen evaluiert, wie der Verlauf und das Outcome der Schwangerschaften zu werten war.

Bei Menschen mit Geburtsjahr 1964–1984 und Diagnose einer immun-vermittelten Erkrankung vor dem 30. Lebensjahr zeigte sich insbesondere für SLE, JiA und seropositive RA eine höhere Rate an Kinderlosigkeit und/oder eine verminderte Anzahl an Kindern im Vergleich zu einer gematchten Population. Bei Betroffenen mit SLE, Sjögren Syndrom, Typ 1 Diabetes und M. Addison bestand ein verdoppeltes Risiko für eine problematische Schwangerschaft inklusive Präeklampsie, vorzeitige Geburt, ungeplante Sectio-Entbindungen und Notwendigkeit für eine neonatale Intensivtherapie. Insgesamt wurden die vielen verschiedenen hier adressierten Probleme sowohl bei den meisten entzündlich-rheumatischen Erkrankungen – insbesondere SLE und Sjögren Syndrom – wie auch bei anderen immun-vermittelten Erkrankungen beobachtet. Bezüglich des Schwangerschaft Outcomes wurde jedoch ein nur geringer Einfluss durch rheumatische Erkrankungen gesehen.

Kommentar
Der hier sogenannte «Reproduktionserfolg» war reduziert bei SLE, JiA und seropositiver RA sowohl bei Männern als auch bei Frauen. Dies ist u.a. bedeutend, da Daten insbesondere zur Reproduktion bei Männern in dieser Erkrankungsgruppe nur spärlich vorliegen. Eine Schwangerschaftsberatung darf somit auch in eine „Reproduktionsberatung“ münden.

Nach wie vor gilt, dass eine optimale Krankheitskontrolle insbesondere bei SLE und Sjögren Syndrom einen positiveren Schwangerschaftsverlauf ermöglichen kann – auch wenn diese Kausalität hier nicht klar untersucht wurde. Die Therapieeinstellung gerade vor und in dieser Phase ist für beide «Seiten» eine (notwendige) Herausforderung.

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Prof. Dr. Sabine Adler
Aarau

Fertilität von Männern mit entzündlichen Gelenkerkrankungen

Male patients with inflammatory joint diseases are less likely than controls to be childless: results from a Norwegian population-based cohort study of 10 865 patients

Sigmo G.D. et al. Ann Rheum Dis 2024;83:457

In einer populationsbasierten retrospektiven Kohortenstudie wurden Männer mit entzündlichen Gelenkerkrankungen (IJDs) (n=10865) im norwegischen Arthritisregister individuell im Verhältnis 1:5 mit Kontrollen (n=54325) aus dem nationalen Bevölkerungsregister verglichen. Die durchschnittliche Anzahl der Kinder pro Mann in der IJD-Gruppe betrug 1.80 gegenüber 1.69 in der Vergleichsgruppe, und 21 % in der IJD-Gruppe waren kinderlos gegenüber 27 % Kontrollen (beide p<0.001). Der Unterschied in der Kinderlosigkeit war bei Männern, die nach dem Jahr 2000 diagnostiziert wurden, am ausgeprägtesten, insbesondere wenn sie im Alter von 30 bis 39 Jahren diagnostiziert wurden (22 % vs. 32 %, p<0.001).

Die weitverbreitete Ansicht, dass die Fertilität bei entzündlich-rheumatischen Krankheiten vermindert ist, wird durch den oben besprochenen Artikel aus Finnland (Kerola AM, et al. Rheumatology 2024) gestützt. Im Gegensatz dazu zeigt diese norwegische Populationsstudie, dass die Reproduktionsrate bei Männern gegenüber der Normalpopulation sogar erhöht ist. – In der individuellen Beratung unserer Patientinnen und Patienten haben beide Ansichten Platz, weshalb wir Ihnen diese Woche gern zwei Studien mit gegenteiligen Resultaten vorlegen.

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KD Dr. Marcel Weber
Zürich

Vergleich von Baricitinib und Biologics bei rheumatoider Arthritis

Comparative effectiveness of baricitinib and alternative biological DMARDs in a Swiss cohort study of patients with RA

Gilbert B.T. et al. BMJ Open 2024;1414:e072300

Die Beobachtungsstudie aus Daten des Schweizer Registers (SCQM) mit Vergleich eines Behandlungsbeginns mit Baricitinib (BARI) und Biologics (TNF-Inhibitoren (TNFi) sowie bDMARDs mit anderen Wirkmechanismen (OMA)).

Insgesamt konnten über 1’000 Behandlungszyklen analysiert werden (273 auf BARI, 473 auf TNFi und 307 auf OMA). BARI wurde im allgemeinen älteren Patienten mit einer längeren Krankheitsdauer verschrieben sowie häufigerem Therapieversagen auf TNFi. Im Vergleich mit BARI erwies sich die Behandlungsdauer unter TNFi signifikant kürzer, jedoch nicht unterschiedlich im Vergleich zu OMA. Ähnliche Resultate fanden sich für Patienten, welche keine Vorbehandlung mit b/tsDMARD hatten. Die kürzere Verweildauer von TNFi konnte vorwiegend auf einen Abbruch in Folge Ineffizienz zurückgeführt werden, punkto Sicherheitsprofil zeigten sich die verschiedenen Basistherapeutika nicht unterschiedlich. Ebenso gab es keinen Unterschied im Bezug auf klinische Parameter (Low Disease Activity, Remission) nach 12 Monaten.

Fazit
Baricitinib zeigte eine deutlich längere Verweildauer in der Behandlung von RA-Patienten im Vergleich zu TNF-Blockern, vorwiegend aufgrund einer Ineffizienz der letzteren. Kein Unterschied bestand im Vergleich zu Basistherapeutika mit anderen Wirkungsmechanismen. Betreffend klinischem Verlauf zeigte sich ebenso kein Unterschied zwischen den verschiedenen Therapiegruppen.

Aufgrund dieser Resultate erscheint Baricitinib als echte therapeutische Alternative zu Biologics in der Behandlung der rheumatoiden Arthritis.

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Prof. Dr. Beat A. Michel
Zürich

Arthrose und Verhaltensänderungen

Lifestyle behaviour changes associated with osteoarthritis: a prospective cohort study

Ng N. et al. Scientific Report Nature 2024; 14:6242

Prospektive Kohortenstudie über neun Jahre aus Australien. Verglichen wurden Änderungen im Alltagsverhalten im Vergleich von Frauen mit diagnostizierter Arthrose (Gelenkslokalisation nicht spezifiziert) und solchen ohne Arthrose.

Ein Teil der Frauen mit Arthrose zeigte wenigstens eine positive Veränderung im Vergleich zu jenen ohne Arthrose: Gewichtsreduktion von über 5 kg sowie Reduktion der Zeit im Sitzen von über einer Stunde im Anschluss an die Diagnosestellung. Allerdings gab es auch Frauen mit negativen Veränderungen; zudem begannen Frauen nach Diagnose einer Arthrose vermehrt zu rauchen.

Fazit
In dieser Studie entwickelte etwa ein Drittel der Frauen mit neudiagnostizierter Arthrose positive Verhaltensmuster, während ebenfalls ein Drittel negative Verhaltensmuster annahm. Zum Zeitpunkt einer Arthrose-Diagnose erscheint ein Wechsel im Lebensstil durchaus möglich und zumutbar. Die Autoren fordern deshalb, dass bei Diagnosestellung einer Arthrose auch eine entsprechende Beratung für einen gesunden Lebensstil stattfinden soll, insbesondere auch mit Hinweis auf das Vermeiden einer sitzenden Lebensweise, einer Gewichtszunahme sowie einer Aufnahme von Rauchgewohnheiten.

Zur Studie
Prof. Dr. Beat A. Michel
Zürich