Medizinisches Cannabis zeigt nur geringe Wirkung bei chronischen Schmerzen

Medical cannabis or cannabinoids for chronic non-cancer and cancer related pain: a systematic review and meta-analysis of randomised clinical trials

Wang L et al. BMJ 2021:online ahead of print

In 32 randomisiert-kontrollierten Studien (RCT) mit 5174 erwachsenen Patienten wurde die Wirkung von medizinischem Cannabis oder Cannabinoiden – ohne inhalatives Cannabis – zur Behandlung chronischer Schmerzen mit Placebo oder anderen Therapien verglichen.

Nur 10% erzielten eine Schmerzlinderung um mehr als 1 cm auf einer visuellen Analogskala (VAS) von 10 cm. In der Lebensqualität erreichten nur 4 % mehr Patienten als in den Vergleichsgruppen eine Verbesserung um 10 Punkte auf der 100-Punkte-Skala (körperliche Funktion im SF-36). Die Schlafqualität besserte sich zusätzlich bei 6 % der Patienten um mehr als 1 cm VAS. Ein Einfluss auf emotionale oder soziale Funktionen war nicht nachweisbar. Hingegen führte medizinisches Cannabis zu Schwindel und einem gering erhöhten Risiko für vorübergehende kognitive Beeinträchtigungen, Erbrechen, Schläfrigkeit, beeinträchtigte Aufmerksamkeit und Übelkeit.

Nach dem Review von englisch-europäischen Autoren im Pain (/Weekly/2021/20.09.2021/Studien) kommen auch diese kanadisch-australischen (mit Schweizer Beteiligung) Autoren im BMJ zum selben Schluss, dass die Schmerzwirkung von Cannabis marginal ist und mit unmittelbaren Nebenwirkungen erkauft werden muss – ohne auf das Suchtpotenzial einzugehen. Somit nichts Neues für Sie als Leserin des Weekly, aber eine «injection de rappel» gegenüber der unwissenschaftlich-tendenziösen Beeinflussung durch die Tagespresse.

Zur Studie
KD Dr. Marcel Weber
Zürich

Telekonsultationen bei SLE

Impact of teleconsultation on subsequent disease activity and flares in patients with systemic lupus erythematosus

Au Eong J. T. W. et al. Rheumatology 2021:online ahead of print

Während der COVID-19 Pandemie wurde vor allem in der Initialphase, als noch keine oder wenig Impfungen zur Verfügung standen, Gebrauch von Telekonsultationen gemacht. Die vorliegende Studie untersucht, ob Telekonsultationen im Gegensatz zu physischen Konsultationen die Aktivität des SLE unterschiedlich beeinflussen. Konsekutive Erfassung der Visiten (Arzt entschied mit Patient, ob Telekonsultation oder physische Konsultation stattfindet) sowie Bestimmung der SLE-Aktivität bzw. eines Schubes nach Konsultation.

Insgesamt 435 Konsultationen (79% physisch, 21% Telekonsultationen). Die Art der Konsultation wirkte sich nicht auf den Aktivitätsverlauf des SLE aus. Anpassungen in der Therapie (hier erfasst anhand der Prednison-Dosis) wurden vergleichsweise ähnlich vorgenommen in den beiden Arten der Konsultationen, es zeigte sich in der Analyse kein Unterschied.

Fazit:
SLE-Krankheitsaktivität und Schübe zeigten sich nicht unterschiedlich im Vergleich von Telekonsultationen mit physischen Konsultationen. Ebenso konnte kein Unterschied in Bezug auf die Prednison-Dosis dokumentiert werden.

Diese Studie zeigt, dass auch bei anspruchsvolleren Situationen wie dem SLE Telekonsultationen durchaus zu erwägen sind, dies insbesondere als Ergänzung zu physischen Konsultationen.

Zur Studie
Prof. Dr. Beat A. Michel
Zürich

Refraktäre ANCA assoziierte Vaskulitis – Case und Diskussion

Refractory ANCA-associated vasculitis

Gopaluni S et al. Rheumatology 2021:online ahead of print

Fall
Die Autoren beschreiben den schweren Verlauf eines 41-jährigen Mannes mit einer MPO-positiven, ANCA-assoziierten Vaskulitis (AAV). Nach initial zunächst überwiegend konstitutionellen Symptomen entstehen nach einer Methylprednisolontherapie Zeichen einer schweren zerebralen und kardialen Manifestation, so dass zusätzlich eine Plasmaseparation erfolgt. Aufgrund persistierender Krankheitsaktivität wird um Rituximab erweitert, der Patient entwickelt dennoch eine pulmonale Hämorrhagie im Rahmen der AAV. Eine erneute Plamaseparation wird eingeleitet, begleitet von Cyclophosphamid i.v., welches bei erneutem kardiopulmonalem Relapse wiederholt wird. Erst daraufhin setzt eine langsame Rekonstitution serologisch und klinisch ein. Die Erhaltungstherapie wird mit Azathioprin täglich und Rituximab in 6-monatlichen Gaben durchgeführt. MPO und serologische Inflammation bleiben jedoch erhöht.

Kommentar:
Neue Therapieansätze der AAV sind unterwegs oder bereits zugelassen. Therapiepfade sind international etabliert und werden sinnvollerweise gerne verfolgt. Eine kardiale Manifestation wird nicht immer routinemässig gesucht, hat sich hier jedoch aufgrund der klinischen Präsentation als DD «aufgedrängt» und stellt eine der schwersten und prognostisch ungünstigsten Manifestationen der AAV dar.
Es ist wichtig, individuelle Therapieentscheidungen auch «out-of-the-box» zu treffen und hierbei vielleicht mittlerweile altmodisch anmutende Therapiestrategien wie Cyclophosphamid und Plasmaseparation mit einzubeziehen, wenn eine schwere, lebensbedrohliche Manifestation vorliegt, die in Studien nur selten repräsentiert ist. Der Hinweis, dass die aktuellsten Studien keine wesentliche Überlegenheit der Plasmaseparation bei AAV gezeigt haben, ist zwar formal korrekt, wird aber in einer solchen Situation der Schwere der Manifestation mit dem Ziel des Akutüberlebens nicht ganz gerecht.

Zur Studie
Prof. Dr. Sabine Adler
Aarau

Sicherheit des Zoster Lebendimpfstoffs Zostavax® bei Immunsupprimierten

The Safety and Immunologic Effectiveness of the Live Varicella-Zoster Vaccine in Patients Receiving Tumor Necrosis Factor Inhibitor Therapy: A Randomized Controlled Trial

Curtis J et al. Ann Intern Med 2021;174:1510

In dieser randomisierten, doppelverblindeten placebokontrollierten Studie wurde die Sicherheit sowie die humorale und zelluläre Immunogenität eines attenuierten Zoster Lebendimpfstoffes (Zostavax®) bei Rheumapatienten unter einer TNF-alpha Hemmer Therapie untersucht.
Es wurden 617 Patienten (mittleres Alter 63 Jahre) mit RA oder Psoriasisarthritis unter einer bestehenden Therapie mit einem TNF-alpha-Blocker eingeschlossen und randomisiert. Knapp 50% der Patienten hatten zusätzlich zum TNF-Blocker noch Methotrexat und rund 10% eine Glukokortikoidtherapie. 310 erhielten eine Dosis Zostavax®, 307 ein Placebo.

Im primären Studienendpunkt nach 6 Wochen zeigten sich keine relevanten Nebenwirkungen in beiden Gruppen, insbesondere keine impfungsassoziierte Zostererkrankung. Zudem zeigte sich nach 6 Wochen eine robuste humorale und zelluläre Immunität in der Verumgruppe. Im weiteren Beobachtungszeitraum bis zu 1 Jahr gab es keine unerwünschten Nebenwirkungen. Die humorale Immunogenität war nach 1 Jahr immer noch nachweisbar, während die zelluläre Immunogenität nach einem Jahr bei den meisten Patienten (75%) nicht mehr nachweisbar war. Während der ganzen Studiendauer trat kein einziger Fall einer Herpes Zoster Infektion auf.

Konklusion:
Dieser RCT konnte zeigen, dass ein Herpes Zoster Lebendimpfstoff (Zostavax®) bei Rheumapatienten unter einer Therapie mit einem TNF-alpha Hemmer und bei 50% zusätzlich Methotrexat sicher ist. Auch scheint die humorale Immunogenität auch nach einem Jahr noch vorhanden zu sein, während die zelluläre nicht nachhaltig scheint. Über die Wirksamkeit der Impfung sagt diese Studie aber nichts aus, da die Teilnehmerzahl viel zu klein war zur Beantwortung dieser Frage. Aktuell wird in der Schweiz eine Zosterimpfung bei allen Patienten unter einer immunsuppressiven Therapie ab 50 Jahren empfohlen. Idealerweise sollte die Zosterimpfung vor Beginn dieser Immunsuppression erfolgen. Derzeit steht nur der Lebendimpfstoff Zostavax®, der 1-malig appliziert wird, zur Verfügung. Die Zulassung des Totimpfstoffes Shingrix® wird im Jahre 2022 erwartet. Shingrix® wird 2-malig gegeben zum Zeitpunkt 0 und idealerweise nach 3 Monaten.

Zur Studie
Dr. Thomas Langenegger
Baar